Hamsterkäufe, Warnungen des Verbands der ölsaatenverarbeitenden Industrie in Deutschland (Ovid) vor baldigen Lieferengpässen, Preiserhöhungen und Rationierung in Supermärkten: Sonnenblumenöl ist im Zuge des Ukraine-Kriegs zur heiß begehrten Ware in Deutschland geworden. In vielen Supermärkten herrscht in den entsprechenden Regalen gähnende Leere.
Der Grund: Die Ukraine und Russland gehören zu den wichtigsten Exportländern von Sonnenblumenöl. 2020 stammten 51 Prozent des weltweit exportierten Sonnenblumenöls aus der Ukraine und weitere 27 Prozent aus Russland, so Angaben des Verbands Ovid.
Derzeit kein Mangel in Sicht dank Schweizer Unabhängigkeit und Vorsorge
Ganz anders die Situation im Nachbarland Schweiz. Bei einer Stippvisite im grenznahen Städtchen Kreuzlingen finden sich in verschiedenen Supermärkten mit Sonnenblumenöl prall gefüllte Regale. „Die Schweiz ist beim Sonnenblumenöl weniger abhängig von Importen aus der Ukraine als andere Länder“, erklärt Urs Reinhard im Gespräch mit dem SÜDKURIER. Reinhard ist Präsident von Swiss-Olio, dem Verband Schweizerischer Hersteller von Speiseölen, Speisefetten und Margarinen.

Circa 20 Prozent des Schweizer Bedarfs an Sonnenblumenöl – dem beliebtesten Speiseöl im Land – könne durch einheimische Produktion gedeckt werden. Nur rund zehn Prozent stammten aus der Ukraine. Der Rest werde aus verschiedenen Ländern importiert, etwa dem afrikanischen Tansania oder aus Südamerika, beispielsweise Argentinien, so Swiss-Olio-Präsident Reinhard weiter.
„Die Versorgung mit Sonnenblumenöl ist für die nächsten Wochen sichergestellt“, betont er. Sollte es in der Schweiz dennoch zu Engpässen beim Sonnenblumenöl kommen, stünden Pflichtlager bereit, in denen zurzeit rund 35.000 Tonnen an Speiseölen und -fetten lagern.
„Würde Sonnenblumenöl knapp, könnte man unbürokratisch aus den Pflichtlagern die erforderliche Menge entnehmen und sie dort durch ein anderes Speiseöl kurzfristig ersetzen, etwa Rapsöl“, so Reinhard. Und bei der Versorgung mit Rapsöl, dem zweitbeliebtesten Speiseöl der Eidgenossen, ist die Schweiz beinahe autark: Der Bedarf könne hier zu 80 bis 90 Prozent durch einheimische Produzenten gedeckt werden, erklärt der Verbandspräsident.
Keine Hamsterkäufe – aber teils erhöhte Nachfrage in Grenzregionen zu Deutschland
Es scheint also einige Gründe zu geben, warum Schweizer trotz Ukraine-Kriegs in puncto Speiseöl gelassener reagieren als die Deutschen. Hamsterkäufe sind in eidgenössischen Supermärkten jedenfalls bisher ausgeblieben, wie die Einzelhandelsriesen Migros und Coop sowie die Schweizer Aldi- und Lidl-Ableger auf SÜDKURIER-Anfrage einhellig bestätigen.

Nur Aldi Suisse stellte bei Speiseölen kurzfristig eine leicht erhöhte Nachfrage fest, die sich aber wieder gelegt habe, so die Pressestelle der Supermarktkette. Und laut Coop wird Sonnenblumenöl in den grenznahen Supermärkten zu Deutschland derzeit stärker nachgefragt, verglichen zum Vor-Corona-Jahr 2019.
Aldi Suisse und Lidl Schweiz betonen aber, dass die Warenversorgung in ihren Filialen sichergestellt sei und es derzeit keine Anzeichen für Engpässe gebe. Einzig die Migros erklärt gegenüber dem SÜDKURIER, dass sie von Sonnenblumenöl-Importen aus der Ukraine in gewissem Grade abhängig ist. Allerdings nicht bei den Speiseölen für die Supermarkt-Regale, sondern in ihren Produktionsbetrieben.

„Sonnenblumenöl braucht man beispielsweise für die Herstellung von Pommes-Chips, Farmer-Riegel (Anm. d. Red.: Getreideriegel) oder Müsli, und es kann nicht einfach mit einem anderen Öl ersetzt werden“, erklärt Migros-Pressesprecher Marcel Schlatter.
Es lasse sich aber nicht abschätzen, wie stark sich mögliche Lieferausfälle etwa auf die Chips-Produktion der Migros auswirken werden. „Derzeit haben wir noch genügend Ware auf Lager“, so Schlatter.
Lohnt sich der Einkauf von Sonnenblumenöl in der Schweiz auch preislich?
Mangel an Sonnenblumenöl zum Braten von Speisen oder für die Salatsoße herrscht in Schweizer Supermarktregalen also vorerst nicht. Doch lohnt sich für Deutsche die Fahrt über die Grenze, um sich im Nachbarland mit dem begehrten Speiseöl einzudecken?
Beim Besuch im Schweizer Grenzstädtchen Kreuzlingen am Dienstagmittag zeigt die Stichprobe in Supermärkten von Migros und Coop, dass der Liter Sonnenblumenöl dort jeweils 4,60 Schweizer Franken kostet (derzeit rund 4,50 Euro). In der Migros-Discountertochter Denner war er bereits für 4,30 Franken zu haben.

Derweil hätte man laut Preisschildern am Donnerstagmittag in einem Edeka- und einem Rewe-Markt in Konstanz jeweils nur 1,79 Euro pro Liter zahlen müssen für das günstigste Sonnenblumenöl. „Hätte“ wohlgemerkt, denn die entsprechenden Speiseöl-Regale waren in beiden Märkten leer, Sonnenblumenöl für keinen Preis zu haben.
In Schweizer Supermärkten könnte das begehrte Öl aber noch teurer werden. Preisanpassungen könne man zum jetzigen Zeitpunkt nicht ausschließen, teilen sowohl Migros als auch Aldi Suisse mit.
Urs Reinhard vom Verband Swiss-Olio betont ebenfalls, dass Preisanpassungen beim Speiseöl nicht auszuschließen seien. „Es sind mir zwar keine entsprechenden Pläne bekannt. Aber der Speiseölmarkt ist sehr volatil und der Preis im Einzelhandel orientiert sich in der Regel am Weltmarktpreis.“