So erklomm der Mann die Gipfel. In Cordhosen und Gamaschen, die mit Filz umwickelte Wasserflasche am Gürtel, eine Hacke in der Hand. Ganz anders die Dame. Ins bodenlange Kostüm geschnürt, ein kleines Hütchen mit kecker Feder auf dem Haar, spazierte sie durch die Berglandschaft. Aufwendig die wenig praktische Kleidung, primitiv für heutige Augen des Equipment für eine Bergtour.
Risikoorientiertes Bergsteigen
Doch die Zeiten haben sich geändert. Heute ist nicht mehr das reine Genusswandern angesagt, sondern risikoorientiertes Bergsteigen mit Trends wie Free-Solo-Klettern oder Uphillen mit dem Fahrrad. Von der Suche nach intensiver Begegnung mit der Natur und gesunder Bewegung weg hat sich dem Zeitgeist entsprechend ein radikaler Wertewandel manifestiert.
All den Veränderungen, welche die Bergleidenschaft in 150 Jahren durchlief, spürt jetzt eine ebenso umfassende wie abwechslungsreich inszenierte Ausstellung im Alpinen Museum München nach. Unter dem Titel „Die Berge und wir“ werden 150 Jahre Deutscher Alpenverein mit verschiedenen Themenschwerpunkten aufgerollt, wird die Kontinuität neben den Brüchen dieser Institution dargestellt, die derzeit in Deutschland 1,3 Millionen Mitglieder zählt.
Elitäres Grüppchen
Als sich im Jahr 1869 drei Dutzend bergbegeisterte Männer – anfangs waren die Berge für Frauen tabu – zur Gründung trafen, hatte sie eine Vereinigung zur touristischen Erschließung der Alpen im Sinn. Ein elitäres Grüppchen, getragen von bürgerlichen Akademikern und Adeligen, die erst in den 1920er Jahren Handwerker und Arbeiter zuließen. Zum widersprüchlichen Werdegang zählt gleichermaßen die Ausgrenzung jüdischer Mitglieder noch bevor Hitler an die Macht kam.
Die verschiedenen Entwicklungsstränge werden mit einer Fülle von Materialien belegt, oft auch exemplifiziert an Einzelschicksalen wie beispielsweise den Brüdern Schmid, Helden des Matterhorns. Fotos aus privaten Alben, Plakate, Gemälde, Skizzenbücher von Frauenhand, welche idyllische Orte oder besondere Pflanzen verewigten, neben einer zeichnerischen Dokumentation aller Hütten und unzähligen Objekten, darunter Holzski mit Bambusstöcken oder vorsintflutliche Seile zeigen, wie sich der Individualismus verabschiedete und sich der Massentourismus in der Bergwelt ausbreitete.
Bis 13. September 2020, Öffnungszeiten: Di. bis So. 10-18 Uhr, Praterinsel 5, München.