Mit einem klassischen Konzert oder mit einer Oper braucht man einem Student der Wirtschaftswissenschaft nicht zu kommen. Das interessiert ihn nicht. In seiner freien Zeit macht der angehende Wirtschaftswissenschaftler gern Party, spielt am Computer oder schaut Videos. Wenn er Musik hört, dann Hiphop und Schlager. Er ist, wie ihn der Kultursoziologe Martin Tröndle von der Zeppelin Universität in einem Interview im Deutschlandfunk bezeichnete, „der absolute Nie-Besucher“ klassischer Kulturinstitutionen.
Statistisch erwiesen
Tröndle hat das in einer empirischen Studie über Nicht-Besucher von Oper und Konzert herausgefunden. Dazu befragte er 1264 Studierende in Potsdam und Berlin und kam zu seinem Urteil, das sich, wie er sagt, „statistisch relativ gut fassen lässt“.
Das Werk und die Nähe zum Besucher
Ein zweites Ergebnis von Tröndles Studie ist, dass Nähe zum Besucher verlockend wirkt. Daher müssten die Kulturinstitutionen nicht nur die Kunst in den Mittelpunkt stellen, „sondern immer gleichzeitig auch noch fragen, erzeugen wir dadurch Nähe zu unseren potenziellen Besuchern“.
So stellt sich die Frage: Wie schafft ein Orchester Nähe zu Ökonomen? Sie gelten allgemein als zahlungskräftig und wären als Kunden hoch willkommen.
Kuschelatmosphäre für Ökonomen
Sie zu gewinnen, sollte kein Hexenwerk sein. Ökonomen, das weiß man, lieben Zahlen und Statistiken. Wenn diese mit schönen Grafiken aufbereitet sind, dann geht dem Betriebswirtschaftler das Herz auf. Diese powerpointiert auf Großleinwand über dem Orchester präsentiert, schafft dem Ökonomen Kuschelatmosphäre.
Das ganze Konzert in Zahlen
Er könnte dort zunächst die aktuelle Zahl der Konzertbesucher ablesen. Wie nah an die 100 Prozent Auslastung kommt sie heran? Man könnte ihm anzeigen die Anzahl der Musiker pro Werk. Man könnte ihm die Anzahl der gespielten Noten pro Instrument vorführen, danach Durchschnittswerte pro Stück und Instrument angeben mit einem Vergleich zu vorhergehenden Konzerten. So etwas liebt er.
Prestissimo ist billiger
Damit aber gibt sich ein Ökonom nicht zufrieden. Er braucht den Bezug zum Geld. Das ist auch kein Problem. Wir liefern. Was war das Gesamtbudget des Konzertes und was hat dann umgerechnet eine Note gekostet? Das erzeugt wieder wunderbare Kurven auf der Großleinwand, aus denen hervorgeht, dass bei gleichem Budget der Preis pro Note sinkt, je mehr prestissimo-Passagen ein Konzertprogramm hat.
Der Weg des Taktstocks in Metern
Ist der Dirigent sein Geld wert? Der Ökonom erwartet eine objektive Messgröße. Ein einfacher Chip in der Spitze des Taktstocks könnte den Weg messen, den der Taktstock zurücklegt. Was hat ein Meter Taktstockbewegung gekostet. Wieviel Meter hat der Taktstock insgesamt zurückgelegt? Und müsste bei Unterschreitung einer gewissen Wegstrecke des Taktstocks pro Minute nicht die Gage des Dirigenten nach unten korrigiert werden?
Auch der Erfolg des Konzerts ist messbar: Wie lange wurde geklatscht und welche Lautstärke erreichte der Applaus? So etwas könnte man ebenfalls einpreisen.
Abschreckende Zahlen
Freilich stellt sich dann die Frage, ob die Nähe zu den Ökonomen nicht einhergeht mit einer größeren Distanz der anderen Konzertbesucher, die sich von den flimmernden Zahlen, Kurven und Balkendiagrammen auf der Großleinwand eher abschrecken ließen. Herr Professor Tröndle, wir erwarten Antworten!