Der Name klingt auch heute noch nach verheißungsvoll: Bali. Gegen die Klischees von Strand und Luxusresorts hat sich die indonesische Insel erfolgreich in die Gegenwart gerettet als die alte Vorstellung von einem Rückzugsort, die irgendwann in der Vergangenheit entstand und immer noch vielen bei einer Bali-Reise gegenwärtig ist.

Vor einem Jahrhundert machte sich ein deutscher Maler von Hamburg aus auf den mühsamen Weg in die Südsee. Walter Spies (1895–1942) ist noch heute auf der Insel in Erinnerung. Seine Spuren findet man im Landesinneren, in Ubud, dem kulturellen Zentrum der Insel. An Spies erinnert dortdas Agung Rai Museum Of Art, das seiner Lebensgeschichte und seinen Gemälden eine eigene Abteilung widmet.

Wer war Walter Spies? Was machte ihn auf Bali so bekannt, und welche Rolle spielte er bei der Verbreitung des Bali-Mythos? Antworten darauf gibt es nun in der Kulturstiftung Basel H. Geiger. Die Ausstellung „Roots“ dreht sich um die faszinierende Person des in Russland geborenen deutschen Künstlers, dessen Einfluss auf die kulturelle Landschaft Balis bis heute nachhallt.

Die Präsentation zielt darauf ab, seine tiefgreifende Wirkung zu zeigen und gleichzeitig das postkoloniale Erbe der Insel im vergangenen Jahrhundert zu erforschen. Seiner kunstaffinen Familie verdankte der in Moskau geborene Diplomatensohn, dass er schon in jungen Jahren mit den künstlerischen Avantgarden in Moskau, später in Berlin und Dresden, in Berührung kam.

In einem autobiografischen Rückblick erklärte Spies: „Aber bald darauf, weil ich mich in Deutschland gar nicht wohlfühlte und besonders von der ganzen Filmatmosphäre, in die ich hineingeraten war, angeekelt war, beschloss ich plötzlich, wegzufahren, irgendwohin in die weite Welt.“

Im Duft von Räucherstäbchen

Auch die Ausstellung ist eine Reise: Der Besucher verbringt einen Kurzurlaub auf der Tropeninsel mitten in Basel. Immersiv nennt der Filmemacher und Ausstellungskurator Michael Schindhelm sein Konzept. Den Besucher erwartet somit keine reine Bilderschau, sondern ein Gesamterlebnis.

Schon im Foyer hört man den Regen auf das Blechdach prasseln, im nahen Dschungel die Vögel zwitschern, dazwischen immer wieder Trommel- und Motorradgeräusche. An den Wänden hängen Drachen mit weit aufgerissenen Mäulern. Ihre geschlängelten Körper symbolisieren das Wasser, das sich durch die Weiten der fruchtbaren Landschaft zieht.

Walter Spies prägte mit seiner Malerei die Kunst Balis. Hier „Deer Hunt“ (1932), Rehjagd.
Walter Spies prägte mit seiner Malerei die Kunst Balis. Hier „Deer Hunt“ (1932), Rehjagd. | Bild: Afterhours Books Jakarta

Beim Duft von Räucherstäbchen geht es weiter durch die Stiftungsräume, die nun zur Villa Iseh umgestaltet wurden. Ursprünglich ein Zufluchtsort für Walter Spies, wurde sie später zu einem beliebten Ziel für Prominente, darunter David Bowie, Yoko Ono und Mick Jagger.

Immer wieder laden Himmelbetten zum Verweilen ein und selbstverständlich auch zum Schauen. Auf die Raumdecke projiziert erscheint ein Film von zwei balinesischen Kunstschaffenden. Eine Tänzerin in traditionellem Gewand bewegt sich flink erst durch einen Palmenwald, dann durch ein Reisfeld.

Walter Spies: „Riverscape With Herdsman And Cows“ (1938), Flusslandschaft mit Hirte und Kühen.
Walter Spies: „Riverscape With Herdsman And Cows“ (1938), Flusslandschaft mit Hirte und Kühen. | Bild: Afterhours Books Jakarta

Szenenwechsel: Das Geräusch der Motorsäge und das Fallen der Bäume holt uns wieder in die Realität. Im Raum gegenüber erzählen Hinterbliebene in Videoausschnitten vom innerhalb der indonesischen Gesellschaft nahezu unaufgearbeiteten Völkermord, der die Insel 1965 erschüttert hat.

In Installationen und Gemälden erinnert der zeitgenössische Künstler Made Bayak an das Massaker in Indonesien, das rund 500.000 Mitglieder und Sympathisanten der Kommunistischen Partei Indonesiens (PKI) sowie chinesischstämmige Bürger betraf.

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Im zentralen Raum gilt es schließlich, auf den bequemen Himmelbetten Schindhelms Doku-Fiktion „Roots“ anzuschauen. Der Film zeigt Walter Spies, wie er sich durch die moderne Landschaft Balis bewegt.

Durch Begegnungen mit balinesischen Künstlern ringt der Geist von Spies mit seinem eigenen Erbe und dem anhaltenden Einfluss der westlichen Zivilisation auf der Insel. So gilt es, auf den Spuren von Walter Spies sich mit den Themen Massentourismus, Umweltzerstörung und dem komplexen Zusammenspiel kultureller Identitäten auseinanderzusetzen.

Die Ausstellung „Roots“ ist bis 17. November 2024 in der Kulturstiftung Basel H. Geiger in der Spitalstraße 18 zu sehen. Geöffnet ist täglich – außer dienstags – von 11 bis 18 Uhr. Weitere Informationen finden Sie hier.