Natürlich hat der Maler Franz Lenk auf seiner eigenen Fotografie eine Pfeife im Mund. Das passt perfekt zum Image des Künstlers, der mit etwas entrückten Blick die Dinge um sich herum betrachtet und hernach in seinen Bildern verarbeitet, ihnen eine eigene Note aufdrückt. Doch nicht so bei Franz Lenk, der scheinbar sein ganzes Leben lang mit einem äußerst distanzierten Blick auf seine Umwelt geschaut hat, nur um sie dann, ganz genauso wie sie nun mal ist, zu malen.

Ohne Schnörkel, ohne hinzugedachte Blümchen auf dem Fensterbrett, ohne Weichzeichner bei den Portraits, ohne zusätzliche Sonnenstrahlen im Himmel. Diese klare und nüchterne, ja fast pragmatische Haltung zieht sich in seinen Werken von den künstlerischen Anfängen 1920 bis zu seinem Tod 1968 durch und ist genau das Besondere an der zurzeit laufenden Ausstellung „Der entwirklichte Blick“ in der Wessenberg Galerie.

Franz Lenk, geboren 1998, stammte aus einfachen Verhältnissen und zeigte schon früh künstlerisches Talent. Nach seiner Lehre als Lithograf, die ihm fundierte zeichnerische Kenntnisse vermittelte, wechselte er 1916 an die Dresdner Kunstakademie, die er 1924 abschloss. Dazwischen diente er im Krieg.

Eine Zeitlang war das Porträtieren für ihn eine wichtige finanzielle Einnahmequelle, schaut man sich jedoch diese Werke an, kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass er dieser Art von Beschäftigung keine große Leidenschaft widmete. Ein reservierter und äußerst distanzierter Blick zeigt sich in diesen künstlerisch sehr hochwertigen und bis ins kleinste Detail ausgefeilten Arbeiten. Nüchtern wird selbst die eigene Mutter oder auch Großmutter wiedergegeben, so wie sie wohl waren, ohne den lieblich verzerrten Blick des Sohnes oder Enkels, den man vermuten oder vielleicht sogar erwarten würde. Sein Ausspruch: „Man kann doch in der heutigen Zeit keine Menschen mehr malen“, sagt scheinbar alles und erklärt seine Hinwendung zu anderen Motiven.

Der Künstler Franz Lenk malte gerne den Bodensee.
Der Künstler Franz Lenk malte gerne den Bodensee. | Bild: A. Scherz Windhoer

1926 zog Lenk nach Berlin und probiert sich auch mit verschiedenen Techniken aus. Zeigt sich der „Müllhaufen“ eindrücklich kraftvoll und vor allem dreidimensional, bestechen die nachfolgenden Stillleben eher durch eine unglaubliche Präzision und Nüchternheit.

Ab Anfang der 1930 Jahre wandte sich Lenk nun eher der Landschaftsmalerei zu und entdeckte auch den Bodensee für sich. Dabei behält er weiterhin diesen distanzierten Blick und zieht bei den Arbeiten eine regelrechte Grenze zwischen dem Betrachter und sich selbst. Bei den meisten seiner Landschaftsbilder wird der Blick auf das Bild gebremst durch eine Mauer im Vordergrund, einen Graben, eine Ackerfläche. Somit drängt sich Lenk selbst mitnichten auf als Interpreter einer Landschaft, ganz im Gegenteil, er lässt den Betrachter allein mit der Arbeit und hält sich, ganz Lenk, raus.

Besuch bei Otto Dix

Dieser Aspekt verdient durchaus nähere Betrachtung, denn sie zeigt einen Künstler, der 1933 eine Professur für Landschaftsmalerei an der Vereinigten Staatsschule für freie und angewandte Kunst Berlin erhielt und diese auch während des NS Regimes behielt. Er hält sich, wie auch in seiner Kunst, zurück, positioniert sich nicht. Er malte einfach immer weiter, vorrangig Landschaften, die für ihn den Kreislauf des Lebens, ja den Sinn des Lebens darstellten und sich politisch unproblematisch eingliederten. Erst als man ihm die finanziellen Mittel für seine Studenten kürzte, kündigte er seine Professur, das war 1938.

Vorausgegangen war ein bemerkenswerter Besuch bei seinem Künstlerkollegen Otto Dix, der sich zu dieser Zeit im Hegau aufhielt. Lenk gelang es offensichtlich dem Freund die Landschaftsmalerei schmackhaft zu machen. So arbeiteten sie sogar gemeinsam an einem Aquarell und schufen im Sommer 1934 einige Einzelarbeiten, die im nachfolgenden Jahr in einer Berliner Galerie ausgestellt wurden.

Musuemsleiterin Barbara Stark (r.) bei einer Führung durch die laufende Ausstellung von Franz Lenk.
Musuemsleiterin Barbara Stark (r.) bei einer Führung durch die laufende Ausstellung von Franz Lenk.

Augenscheinlich hatte an dieser Stelle Lenks Pragmatismus gewirkt und Dix die Rückkehr in die Öffentlichkeit ermöglicht oder mindestens erleichtert. Lenk selbst fühlte sich zeitlebens weder einer Sache noch einer Haltung verpflichtet und beschreibt seinen Ansatz so: „Im Ringen um den Ausdruck, bei der Steigerung des Gesehenen zu Rhythmus und Farbe, beim Vereinfachen und Typisieren der Natur entsteht von selbst die Sprache. Ob man das Ergebnis Naturalismus, Verismus oder Neue Sachlichkeit nennt, ist mir vollständig gleichgültig.“

Übersetzen kann man das in eine Einladung, selbst beim Betrachten nachzufühlen, was die Arbeiten mit einem machen, frei und ohne Vorgaben. Das macht diese Ausstellung nicht unbedingt zu leichter Kost, aber in jedem Fall sehr spannend. Künstlerisch hochwertig sind die Arbeiten von Franz Lenk sowieso. Barbara Stark, Leiterin der Wessenberg Galerie, entdeckt selbst mit jeder Führung ein bisschen mehr an den Arbeiten von Franz Lenk. Eine Führung durch die Ausstellung oder der Blick in den ausstellungsbegleitenden Katalog ist in jedem Fall zu empfehlen.