Und immer wieder sind es diese Augen. Wer sie einmal erblickt hat, vergisst sie nicht so schnell. Aus den Gemälden heraus blicken sie den Betrachter an, bilden einen hypnotischen Sog, dem man sich nur schwer entziehen kann. Sie sind es auch, auf die Birgit Brandys nachdrücklich Wert legt: „Das ist das Erste, was ich male“, sagt sie. „Die Augen müssen etwas sagen, sie müssen den Betrachter erreichen.“

Wer das Haus von Birgit Brandys betritt, merkt schnell: Dies ist kein gewöhnliches Zuhause – sondern ein Ort, an dem Kunst zum Leben dazugehört. Keine Wand ist leer, überall hängen Werke aus unterschiedlichen Schaffensphasen. Bilder im Flur, im kombinierten Wohn-Essbereich, der zugleich ihr Atelier ist.

Wenn das Wetter mitspielt, malt sie auch auf der Terrasse. Wie sie betont, braucht sie den direkten Kontakt mit ihren Werken. Die Vorstellung, in einem abgetrennten Atelier zu arbeiten, findet sie wenig verlockend: „Ich brauche das Bild ständig um mich herum, bis es fertig ist. Ich muss es immer wieder anschauen. Manche Bilder hängen hier vier Wochen, bis sie fertig sind.“

Die Augen sind oft das erste, was Birgit Brandys malt. Aus den Gemälden heraus blicken sie den Betrachter an und bilden einen ...
Die Augen sind oft das erste, was Birgit Brandys malt. Aus den Gemälden heraus blicken sie den Betrachter an und bilden einen hypnotischen Sog. | Bild: Juliane von Akerman

Seit fast drei Jahrzehnten lebt die Künstlerin im Stockacher Ortsteil Zizenhausen, der kunsthistorisch vor allem durch seine Terrakotten bekannt ist. Auch Brandys ist mit der Region verwurzelt. Die Begeisterung für das Genre Porträtmalerei zieht sich wie ein roter Faden durch ihre künstlerische Entwicklung. „Schon als Kind hab‘ ich schon immer Köpfe gezeichnet, aus Zeitschriften abgemalt, schon immer Gesichter.“

Das Lockere, Schwungvolle musste sie sich erarbeiten, früher waren ihre Werke viel gegenständlicher. „Schwierig ist, dass es nachher locker aussieht.“ Nicht genau, sondern locker sollen ihre Bilder wirken.

Woher nimmt sie ihre Ideen? „Ich bin ständig auf der Suche nach Motiven und Farbkombinationen. Das ist extrem schwierig, vor allem, wenn man schon so viele Gesichter gemalt hat. Was Neues zu finden, eine neue Haltung, eine Emotion. Etwas, was mich einfach anspricht.“ Inspirationen findet sie in alten Zeitschriften, in Werbeanzeigen, auf der Straße. Ein Blick, eine Farbkombination – und schon beginnt im Kopf das nächste Bild zu entstehen.

Manchmal kann es aber mehrere Wochen dauern, bis ein Motiv sie wirklich packt. Auf dem Esstisch liegen Skizzenbücher, voller flüchtiger Blicke, Passanten, Familienmitglieder, Prominente wie James Dean. Heute hat sie immer ein Skizzenbuch dabei – ob im Wartezimmer oder im Parkhaus. Ideen finden sich überall.

Untermalung garantiert Tiefe

Es ist nicht immer eine Fotovorlage, aber wenn es eine Fotovorlage ist, dann immer schwarz-weiß. „Die frontalen Gesichter, die male ich meistens so aus meinem Kopf heraus“, bei abweichenden Posen, etwa Porträts im Dreiviertelprofil, verwende sie aber eine Vorlage. Jeder Malprozess beginnt bei ihr mit einer mehrschichtigen Untermalung in verschiedenen Farben „So entsteht Tiefe“, wie sie betont. „Nach der Untermalung skizziere ich das Gesicht mit Kreide. Dann fange ich mit den Augen an zu malen.“ Anschließend beginnt die weitere farbige Gestaltung: „Meistens weiß ich schon, mit welchen Farben ich malen möchte.“

Die Künstlerin hat immer ein Skizzenbuch dabei. Ideen findet sie überall.
Die Künstlerin hat immer ein Skizzenbuch dabei. Ideen findet sie überall. | Bild: Juliane von Akerman

Der Wechsel zwischen verschiedenen Farbphasen gehört für Brandys zum kreativen Prozess. Waren es früher eher blasse Töne, so fasziniert sie derzeit die Wucht kräftiger Farben. „Ich brauche jetzt einfach wieder was anderes“, so Brandys. Ihre Liebe zu ausgefallenen Farbkombinationen zeigt sich auch jenseits der Leinwand. Überall im Haus stehen sorgfältig arrangierte Blumensträuße. Doch sie experimentiert nicht nur mit immer neuen Farbzusammensetzungen, sondern auch stilistisch – es zieht sie immer mehr in Richtung Abstraktion.

Passend dazu findet sich in einem ihrer Skizzenbücher eine Studie zu Pablo Picassos Gemälde „Demoiselles d‘Avignon“. Der Spanier wagte mit dieser Ikone der modernen Kunst einen Schritt in Richtung Abstraktion und begründete damit den Kubismus. Um sich weiterzuentwickeln, besucht Brandys regelmäßig Kunstkurse in ganz Deutschland, vor allem mit dem Schwerpunkt Abstraktion.

Beim Malen vergisst sie alles

Am liebsten arbeitet sie schnell und expressiv, denn Malerei hat für sie auch einen befreienden Charakter. Zwar geht sie auch anderen Hobbys wie Lesen und Sport nach, aber das Malen besitzt bei ihr einen besonderen Stellenwert: „Wenn man am Malen ist, vergisst man alles um sich herum.“ So verwundert es nicht, dass auf den weißen Wänden im Esszimmer das Malen seine Spuren hinterlassen hat: Auf ihnen sind kleine Farbspritzer zu finden, die sich im Eifer des Gefechts dorthin verirrt haben. Die Farben selbst tropfen, verlaufen, vermischen sich auf der Leinwand zu neuen Ebenen.

Das Verlaufen der Lasuren, so zufällig sie auch wirken, ist Kalkül. „Ich liebe es, wenn ein Bild lebt. Dadurch entsteht Tiefe, automatisch kommt das Auge durch das Lasieren nach hinten. Mit solchen Sachen spiele ich“, so Brandys. Sie verwendet ausschließlich schnelltrocknende Acrylfarben. Ihre Herangehensweise ist impulsiv, das Malen mit langsam trocknenden Ölfarben widerspräche ihrem künstlerischen Naturell.

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Brandys malt vor allem Porträts, meist Frauen, manchmal auch Männer. Was sie nicht so gern malt? „Ich male nicht gerne Haare oder Ohren, die verschwimmen oft einfach mit dem Hintergrund“, meint sie lachend. Ihr Fokus gehört dem Gesichtsausdruck, der Emotion. „Es sind schöne Bilder. Schwierige Themen gibt es genug, ich beschäftige mich lieber mit dem, was mir guttut.“ Ein Künstler, der sie nachhaltig geprägt und beeindruckt hat, ist Vincent van Gogh. Von ihm findet sich – neben anderen Künstlern der klassischen Moderne – auch ein Ausstellungskatalog in ihrem Bücherregal. Was sie an seiner Kunst besonders beeindruckend findet? „Van Gogh gefällt mir von den Farben her ganz extrem.“

Das nächste Bild hat sie bereits im Kopf, es soll knallig orange werden. „Mal schauen, was ich dazu kombiniere“, sinniert Brandys. Die Stockacherin hat nicht nur ein Herz für Farben, sondern auch für Tiere. Besonders Kühe haben es ihr angetan. Für ihre nächste Ausstellung, die im August in der Villa Berberich in Bad Säckingen geplant ist, träumt sie sogar von einem eigenen Raum nur für ihre „Kuh-Bilder“. Warum ausgerechnet Kühe? „Diese Augen“, sagt sie und lacht.