Herr Geiger, die Galerie Geiger, die Ihr Vater Roland 1975 gründete und die Sie heute leiten, wird 50. Sie waren damals sieben Jahre alt. Haben Sie noch Erinnerungen an die Gründerzeit?

Eine sehr deutliche sogar. Ich war von Anfang an bei jeder Veranstaltung mit dabei und habe so viel gelernt. Es gibt ein nettes Foto, das meinen Vater bei unserer allerersten Vernissage 1975 im Gespräch mit dem Kandinsky-Schüler Paul Reichle zeigt. Neben meinem Vater steht ein kleiner Knirps, der ganz aufmerksam zuhört. Das war ich.

Auf Wikipedia steht folgerichtig über Sie: „Er wuchs in einem von Kunst und Künstler geprägten Umfeld auf.“

Das kann man so sagen. Künstler wie Max Ackermann, Richard Neuz und Anton Stankowski gingen bei uns im Hause ein und aus. Nach dem Abitur wurde der Philosoph und Zeichentheoretiker Max Bense ein wichtiger Mentor für mich. Ich durfte ihn und seine Frau auf einer mehrmonatigen Studienreise durch die USA begleiten.

Sie haben Kunstgeschichte studiert, den Magister gemacht und 2006 in dem Fach promoviert. War da schon klar, dass Sie in die Galeriearbeit einsteigen würden?

Meine Entscheidung für die Galerie Geiger und gegen eine Uni-Laufbahn fiel bereits im Sommer 1995, also noch bevor ich mit meiner Dissertation überhaupt begonnen hatte.

Die Galerie

Bei Ihrer Qualifikation und dem internationalen Netzwerk, das Sie schon während des Studiums geflochten haben, hätten Sie ein Museum leiten können.

Ich stand in den 2010er-Jahren tatsächlich einmal vor dieser Frage. Als man mich für ein großes deutsches Museum gewinnen wollte, habe ich mich dann aber für den Verbleib in der Galerie entschieden.

Was macht für Sie den Reiz Ihrer Tätigkeit aus?

Im Unterschied zu einem Museumsdirektor kann ich ganz frei von Gremien und politischen Vorgaben entscheiden. Dafür trage ich aber auch das volle Risiko.

Ihr Vater begann die Galeriearbeit in Kornwestheim, 1999 guckte er sich dafür Konstanz aus, 2021 sind Sie in die aktuellen Räume im Industriegebiet umgezogen. Konstanz ist die letzte Station?

Konstanz ist nach Kornwestheim der zweite Standort. Die Räume am Fischmarkt waren einfach nach 22 Jahren in jeder Hinsicht zu klein geworden. Und unsere neue Location am Seerheinufer ist einfach genial. Ich sehe keinen Grund daran etwas zu ändern.

Stephan Geiger als Kind (links) während eines Gesprächs zwischen seinem Vater Roland Geiger und dem Künstler Paul Reichle, Schüler von ...
Stephan Geiger als Kind (links) während eines Gesprächs zwischen seinem Vater Roland Geiger und dem Künstler Paul Reichle, Schüler von Wassily Kandinsky. | Bild: Galerie Geiger

Das Dreamteam Roland und Stephan Geiger zeichnet nicht nur die Qualität der Ausstellungen aus, sondern das Treugelübde, das Sie Ihren Künstlern gegeben haben. Klaus Staudt, Heinz Mack, Daniel Spoerri, herman de vries und die internationale ZERO-Bewegung

Wir haben hinsichtlich der Sechziger-Jahre-Avantgarde eine bundesweit vielleicht einmalige Expertise und zahlreiche langjährige Kontakte. Da ist es nur verständlich, dass wir diesen gereiften Erfahrungsschatz nutzen.

Seit der Corona-Pandemie hat sich das Konsumverhalten geändert, die Menschen knausern. Kommt der Kunstmarkt ohne Einbußen davon?

Wir haben ein sehr solides und etabliertes Programm und Sammler in ganz Mitteleuropa. Das gesamtpolitische Umfeld ist sicherlich in den letzten Monaten etwas schwieriger geworden, aber Qualität setzt sich durch.

Ein Thurgauer Medium berichtete jüngst, dass eine Galerie in Romanshorn von ihren Künstlern 450 Schweizer Franken für eine Ausstellungsbeteiligung verlangt. Was passiert da?

Ein Unding. Eine seriös arbeitende Galerie trägt selbstverständlich die Kosten und das Risiko. Dafür bekommt sie einen Anteil am Verkaufserlös, das ist der Deal. Kein guter und erfolgreicher Künstler wäre bereit, für die Teilnahme an einer Ausstellung zu bezahlen.

Die Ausstellung

Sie gestalten aufwändige Ausstellungen, Kataloge sind selbstverständlich. Im Unterschied zu anderen Institutionen erhalten Sie keine öffentliche Förderung. Fühlen Sie sich benachteiligt?

Ja, das ärgert einen manchmal schon. Wir sind jetzt 26 Jahre in Konstanz, haben schon einige Millionen in die Organisation von rund 200 Ausstellungen mit oft musealer Qualität investiert und von Seiten der Stadt keinen einzigen Euro erhalten. Dabei haben wir sicherlich mehr für das Ansehen von Konstanz in der internationalen Kunstwelt getan als alle öffentlich getragenen Museen in Konstanz zusammen. Ich denke, und da kommt bei mir auch der ehemalige Verbandsvorstand durch, die kulturelle Arbeit der Galerien sollte mehr gewürdigt werden.

Zurück zu Ihrem Jubiläum: Sie haben gleich mit drei Festen gefeiert.

Ja, an unserem alten Standort in Kornwestheim bei Stuttgart hat uns das Museum im Kleihues-Bau eine große und wie sich zeigt gut besuchte Museumsausstellung zum 50. Geburtstag gewidmet. Eine Anerkennung, über die wir uns sehr gefreut haben. Danach hatten wir eine Jubiläums-Präsentation auf der art Karlsruhe, und nun zeigen wir hier eine Ausstellung mit dem Titel „In Touch with Art History“.

Sie stellen überwiegend Avantgarde-Kunst aus. Sehen Sie einen Trend, welche Kunst auch in den nächsten 50 Jahren gefragt sein wird?

Das ist schwer zu beantworten. Die Klassiker bleiben sicher, aber die Kunstwelt verändert sich in nie gekannter Geschwindigkeit, wobei Digitalisierung und KI eine große Rolle spielen.

Die Geschichte der Galerie Geiger

Die Galerie Geiger wurde 1975 von Roland Geiger (*1941) in Kornwestheim gegründet. Über seinen Brotberuf als Siebdrucker hatte er schon früh Kontakt zu Künstlern wie Max Ackermann, Richard Neuz, Fritz Winter.

  • Kultureller Treffpunkt: Geigers Ausstellungen machten die Galerie zu einem kulturellen Treffpunkt in der Stuttgarter Peripherie. In den 1980er Jahren lag der Schwerpunkt auf Editionen. 1995 musste Geiger das Siebdrucken aus gesundheitlichen Gründen aufgeben und widmete sich ganz der Galeriearbeit.
  • Umsiedelung: 1999 siedelte die Galerie nach Konstanz a den Fischmarkt über, seit 2021 hat sie ihren Sitz in einem Neubau am Seerhein (Reichenaustraße 39A). Im Zentrum der Galerie, die Roland Geiger mit seinem Sohn, dem Kunsthistoriker Stephan Geiger, (*1968) führt, steht bis heute die Kunst der 1960er-Jahre mit Künstlern wie Heinz Mack, Georg Karl Pfahler, Otto Piene und Daniel Spoerri.
  • Jubiläumsfeier: Ihr 50-Jahr Jubiläum feiert(e) die Galerie mit drei Präsentationen an drei verschiedenen Orten gefeiert: Den Auftakt bildete die Ausstellung im Museum im Kleihues-Bau in Kornwestheim. Mehr als 50 Werke dokumentieren dort bis 4. Mai die Kunst- und Galeriegeschichte. Im Februar stellte sich die Galerie auf der art Karlsruhe mit einem Stand vor. Am Konstanzer Standort ist noch bis 17. Mai eine Auswahl kunsthistorisch markanter Meisterwerke zu sehen, darunter frühe Werke von Armando, Hans Jörg Glattfelder, Heinz Mack, Christian Megert, Georg Karl Pfahler, Anton Stankowski und Klaus Staudt.
  • Katalog: Ein begleitender Katalog zum 50. Geburtstag der Galerie Geiger (20 Euro) bietet vertiefende Einblicke in diese einzigartige Verbindung von Kunst und Kultur. Weitere Informationen unter www.galerie-geiger.de. (opi)