Nach dem Lockdown ist vor dem Lockdown. Gerade erst hat das Institut für Museumsforschung in Berlin ernüchternde Zahlen über die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf das Verhalten von Museumsbesuchern veröffentlicht, da droht den Ausstellungshäusern schon die nächste Unsicherheit, was neue Einschränkungen betrifft. Dabei haben sich die meisten noch nicht von den zurückliegenden Schließzeiten und Verkürzungen der Öffnungszeiten erholt.
Zwischen 96 Tagen (Thüringen) und 118 Tagen (Schleswig-Holstein) waren die Häuser für das Publikum nicht zugänglich. In der Besucherstatistik schlägt das mit einem Rückgang von um die 70 Prozent zu Buche. Einrichtungen, die sich im Sommer 2020 zu einer Öffnung entschlossen hatten, konnten ihre Besucherkapazitäten aufgrund strenger Hygiene-Auflagen kaum ausschöpfen.
Die an der Erhebung beteiligten Museen meldeten für das Jahr 2020 insgesamt 33,5 Millionen Besucher. Im Jahr zuvor waren es 111,6 Millionen. Die Pandemie hat damit die bislang stetig steigende Besucherzahl nicht nur gestoppt, sondern radikal dezimiert. Eine historische Zäsur für den Museums- und Ausstellungssektor.
Auch Tobias Engelsing, Direktor des Konstanzer Rosgartenmuseums, registriert in den vier kommunalen Museen der Stadt einen Rückgang um fast zwei Drittel der sonst rund 100.000 Besucher. Er vermutet, dass Menschen offenbar derzeit noch Hemmungen haben, sich mit Unbekannten in Museumsräume zu begeben – eine Hemmung, die es zu seinem Erstaunen in Baumärkten offenbar weniger gibt.
Engelsing befürchtet, dass die Pandemie auch Auswirkungen auf die kommunalpolitische Finanzdebatte haben könnte. Der strenge Blick auf Sparpotenziale treffe eben immer zuerst die Kultureinrichtungen. Dennoch kämen die Museen bisher noch über die Runden durch Kooperationen mit anderen Museen, gegenseitigen Hilfen im Leihgabenverkehr und dem Einwerben von Drittmitteln, so Engelsing.
Ein unterschiedliches Bild ergibt sich in der benachbarten Schweiz. Das Rietberg-Museum in Zürich etwa verzeichnet einen Besucherschwund, der ungefähr dem Ausmaß in Deutschland entspricht. So schrumpften die Eintrittszahlen in dem kleinen Museum von 90.547 im letzten coronafreien Jahr 2019 auf 37.001 im ersten Jahr der Pandemie. Die Zahl der Veranstaltungen und Führungen hat sich dort in diesem Zeitraum etwa halbiert.
Glimpflicher kommt dagegen das Kunsthaus in Basel davon. Dort geht man von einem Pandemie-bedingten Besucherrückgang von etwa 30 Prozent aus.

Viele Museen versuchen, den Rückgang der Besucherzahlen mit kreativen Ideen zu kompensieren. Unter dem Motto „Geschlossen, aber immer da“ weiten die Häuser die digitalen Angebote für ihre Gäste immer mehr aus. 11,6 Prozent der Ausstellungen wurden im Jahr 2020 digital präsentiert, 2,1 Prozent waren sogar rein digital. Auch in den sozialen Medien gibt es neue Inhalte. Angeboten werden unter anderem digitale Führungen oder Besprechungen einzelner Ausstellungsstücke.
„Die Krise hat der Digitalisierung zu einem unglaublichen Schub verholfen“, sagt Patricia Rahemipour, die Direktorin des Instituts für Museumsforschung. Ein Befund, der sich auch in anderen Einrichtungen und Branchen als eine der wenigen positiven Nebenwirkungen der Corona-Pandemie feststellen lässt.
Und so kann David Vuillaume, Geschäftsführer des Deutschen Museumsbundes in Berlin, bestätigen: „Nach dem ersten Schock haben die Museen extrem gut reagiert.“
Nicht wenige Ausstellungshäuser haben aus der Not eine Tugend gemacht und sich gesagt: Wenn schon die Menschen nicht zur Kunst kommen können, wollen wir doch die Kunst zu den Menschen bringen. Kunst-Aktionen im Freien und auch Ausstellungen in Impfzentren vielerorts zwischen Berlin-Tegel und Niederbayern fanden statt.
Sollte es zu einem erneuten Lockdown kommen, wird auch das neben zusätzlichen digitalen Angeboten ein Weg sein, um den Kontakt zwischen den Museen und ihren Besuchern nicht abreißen zu lassen.
Die Corona-Pandemie – reif fürs Museum?
Bekanntlich stirbt die Hoffnung zuletzt. Das gilt auch für die Ausstellungsmacher. Längst ist ein pralles Programm für dieses Jahr in Arbeit, in der Erwartung, es einem breiten Publikum zeigen zu können. Und viele Kuratoren hegen den innigen Wunsch, dass die Pandemie endlich museumsreif sein möge. Ein frommer Wunsch, der sicher von allen Besuchern geteilt wird.