Wer sich in ein Archiv begibt, erwartet nicht unbedingt Spaß. Der Forscher und die Doktorandin rechnen mit Akten, alten Siegeln, die sich in meterlangen Regalen verbergen. Im Fürstlich Fürstenbergischen Archiv in Donaueschingen dagegen werden Besucher unerwartet und auf deftige Art unterhalten. Im Treppenhaus überrascht ein großformatiges Ölbild, das spannender als jedes Zinsregister sein dürfte. Die Ölmalerei zeigt einen Hofnarren im frühen Barock des 17. Jahrhunderts. Der Mann befindet sich im stummen Dialog mit einer Frau – und macht ihr Vorschläge der eindeutigen Art.

Doch darauf stößt der Betrachter erst später. Zunächst sieht er einen prächtig gekleideten Mann mittleren Alters. Das bunte Gewand weist ihn als Hofnarren aus; als solcher genießt er eine hohe Stellung bei Hofe – einerseits verachtet, andererseits im Besitz eines unschätzbaren und seltenen Privilegs – der Narrenfreiheit. Er war der einzige, der dem Herrscher reinen Wein einschenken und ihn mit unbequemen Wahrheiten nerven durfte, wo andere nur tuschelten.

Werner Mezger hat sich das Bild auf Wunsch des SÜDKURIER einmal näher angeschaut. Der Professor für Volkskunde lehrte an der Universität Freiburg. Er kennt sonst jede Darstellung über die Fünfte Jahreszeit, er hat die Archive durchstöbert auf der Suche nach frühen Belegen für närrisches Treiben und wie es zur heutigen Tradition kam.

Nur der grandiose „Schinken“ im Archiv in der Donaueschinger Haldenstraße ist ihm bisher nicht begegnet. Erster Eindruck: Das Bild ist von seiner künstlerischen Qualität her überschaubar; sein Beitrag für die Geschichte des Hofnarren ist jedoch bedeutend.

Werner Mezger.
Werner Mezger. | Bild: Fricker, Ulrich

Mezger hat sich zunächst einmal die Kleidung näher angesehen, die manchem modernen Narrenhäs ähnelt. Er bemerkt zu dem weitgeschnittenen Anzug des Mannes: „Das Gewand gehört eindeutig in den Kontext der Commedia dell‘ arte, und es ähnelt am meisten dem Arlecchino (später Harlekin, Anm. der Redaktion). Der hatte zwar zunächst ein Gewand aus groben, bunten Flicken, die sich später in geordnete Rauten verwandelten. Aber auch die fein gesprenkelte Variante, wie wir sie auf dem Bild haben, kommt vor. Die Pluderhosen sind typisch für die späte Barockzeit, diese finden wir ja auch noch bei den traditionellen Weißnarren von heute.“

Ein gut gekleideter Narr

Bemerkenswert ist auch die sorgfältig gearbeitete Halskrause des Narren. Sie geht auf die spanische Mode des 17. Jahrhunderts zurück, die auch im nördlichen Europa als stilbildend empfunden und nachgeahmt wurde. Die sorgfältige und teure Kleidung des Narren zeigt auch seine Stellung. Er kommt nicht etwa als Schlamper daher, den man in der Küche schnell mit einem Teller Kartoffeln abspeist.

Kragen und Berufskleidung deuten darauf hin, dass er zu den gut angezogenen Menschen gehört. Das Fleckenhäs war ursprünglich eine Sache armer Leute, die aus vielen Stoffresten ein tragbares Gewand zusammennähten. Die Einkleidung dieses Mannes ist edel, die Rauten sind regelmäßig geschnitten und vernäht, darunter schimmert ein Untergewand.

Diese Verfeinerung des höfischen Narren zeichnet auch die Fasnachtsfiguren unserer Tage nach: Ursprünglich war der Blätz ein karnevaler Billigheimer, der möglichst wenig kosten sollte. Positiv war der Blätz ein Vorläufer des ökologisch intelligenten Wiederverwertens von Kleid und Schuh.

Tiere als Symbole der Fasnacht

Nun steht der Donaueschinger Narr nicht alleine im Raum des Bildes (213 cm hoch, 227 cm breit). Allerhand Tiere umgeben den Mann mit dem verkniffen wirkenden Gesicht (den Grund für seine schlechte Laune finden Sie unten). Die Eule kann man als Symbol der Weisheit deuten oder, noch passender, als Symbol für närrische Verstellung, wie sie ein Till Eulenspiegel verkörpert.

Deutlich in der Fasnacht angesiedelt ist auch der Affe, der ebenfalls auf dem kostbaren Kragentuch sitzt und den Höfling fixiert. Auch zwei Hunde verfolgen das Geschehen aufmerksam. Werner Mezger verweist auf die älteste Narrendarstellung in Rottweil aus dem Jahr 1497. „Der Narr im Südschiff der Kirche Heiligkreuz wird von einem großen Hund begleitet.“

Jörg Martin, Leiter des Archivs, hat für die beiden Hunde eine andere Erklärung parat: „Der Jagdhund zur Rechten trägt ein Halsband mit den Initialen „MFF“, die traditionell zu Graf Maximilian Franz zu Fürstenberg-Stühlingen zugeordnet werden (1634 bis 1681).“

Damit wäre das Gemälde wohl in die Zeit zwischen 1660 und 1681 zu datieren, schreibt Martin auf Anfrage. Im Archiv befindet sich dieses in seiner krassen Aussage einmalige Bild erst seit 1838. Zuvor dürfte es die herrschaftlichen Räume ausgefüllt haben – erst in Stühlingen im Kreis Waldshut, dann in Donaueschingen, wohin die Fürstenberger im Jahr 1723 umgezogen sind.

Sexuelle Gesten

Spannend wird es auf der linken Hälfte des Bildes. Hier wird das Thema Sexualität mit deutlichen Gesten verhandelt. Der Hofnarr hat sich nämlich eine klare Abfuhr abgeholt, wo er auf ein leichtes Spiel gehofft hatte. Seine rechte Hand formt er zu einer sogenannten Feige, er spannt dafür den Daumen zwischen Zeige- und Mittelfinger.

Volkskundler Mezger klärt auf: „Das war eine obszöne Geste, die als Vagina-Assoziation das Verlangen nach Geschlechtsverkehr andeuten sollte.“ Auf diese Weise pirscht sich der eingebildete Narr an die Frau heran, deren Gesicht kantige bis männliche Züge aufweist.

Klare Sache: Mit der obszönen Cornutus-Geste weist die Frau das Begehren des Narren zurück.
Klare Sache: Mit der obszönen Cornutus-Geste weist die Frau das Begehren des Narren zurück. | Bild: Fricker, Ulrich

Doch täuscht sich der Mann in seinem prächtigen Dress aus Italien. Er holt sich eine ebenso deftige wie unzweideutige Abfuhr. „Die Frau weist ihn mit dem ausgestreckten Zeige- und kleinen Finger zurück – eine Beschimpfungsgeste, die den anderen als Cornutus, als den Gehörnten, ausweist“, kommentiert Mezger. Diese Geste gilt in Italien bis heute als ziemlich übel, sie entspricht etwa dem Stinkefinger und zeigt dem närrischen Gimpel an, dass er keine Chance hat – wo er vermutete, dass er an der Küchenfrau leichte Beute hätte.

Eine fast moderne Darstellung

Er muss sich also mit den materiellen Dingen zufriedengeben, die bis heute die Fasnacht prägen – da hat sich in den letzten Jahrhunderten kaum etwas verändert: Tabak und Pfeife, ein gutes Glas Wein nebst vollem Krug, und ein frischer doppelter Wecken. Auch wenn das Bild aus dem rätselhaften 17. Jahrhundert stammt und damit aus einer Epoche, über die man nur wenig weiß.

Doch eines scheint gewiss: Viel hat sich seitdem nicht verändert. Fasnacht ist für manchen Verkleideten noch immer eine Freizone für Untergriffiges. Dass sich die Frau auf dem barocken Bild so deutlich wehrt und den Angeber abblitzen lässt, macht die Darstellung fast modern.