2017 wird Jay-Z als der erster Rapper überhaupt in die Songwriters Hall Of Fame aufgenommen. Ein wichtiges Statement. Die Rede hält indes niemand Geringeres als Barack Obama. Ein ehemaliger Präsident, der eine Laudatio auf einen Rapper hält? Und das auf Augenhöhe?
Selbst drei Jahre nach diesem Ereignis in den USA erschient hierzulande Vergleichbares noch immer undenkbar. Ein Lob für Rap-Musiker wie Sido aus dem Munde der Kanzlerin: ein geradezu absurder Gedanke. Warum aber ist Hip-Hop in Amerika so viel anerkannter als in Deutschland? Woran liegt es, dass Rapmusik nach wie vor elitäres Naserümpfen auslöst?
Größte Subkultur
Eins vorab: Hip-Hop ist auch in Deutschland längst die größte Subkultur überhaupt. Im vergangenen Jahr sorgte der Berliner Rapper Capital Bra für Aufsehen, weil er mittlerweile mehr Nummer 1 Hits gesammelt hat, als die Beatles. Und das ist nur die Spitze eines weitverzweigten Eisbergs des Erfolgs. Auch abseits des Status Quo kann Hip-Hop auch in Deutschland auf eine beinahe 30 Jahre dauernde Geschichte zurückblicken. So ist es nicht.
Trotzdem hat Deutschland ein merkwürdiges Verhältnis zu Rap, der nur immer dann in den Medien stattfindet, wenn es etwas negatives zu berichten gibt und Rapper wie Bushido oder Kollegah mal wieder für einen Skandal sorgen. Hip-Hop wird in der Breite der Gesellschaft nach wie vor belächelt und mit verdrehten Augen beäugt, selbst den Feuilletons des Landes gelingt nur selten ein sinnvoller Zugriff auf das Medium – nicht selten wirkt der elitäre Blick der Kulturjournalisten wie ein selbstgefälliges nach unten treten.
In Amerika ist das anders. Dort ist Hip-Hop zwar ähnlich erfolgreich wie hierzulande. Darüber hinaus sind Rapper wie Jay-Z oder Kendrick Lamar, aber auch eine Skandalnudel wie Kanye West, anerkannte Superstars. Sie gelten als politische Stimmen, als Sprachrohre der Black Community.
Die Verbindung von Jay-Z und Obama ist hierbei beinahe sinnbildlich. „Niemand, der uns als junge Männer getroffen hat, hätte wohl erwartet, dass wir heute da stehen, wo wir stehen“, erklärte der damalige Präsident über den Rapper. „Wir wissen wie es ist, keinen Vater zu haben und wir wissen wie es ist, aus bescheidenen Verhältnissen zu kommen.“
Hip-Hop ist ein entscheidender Teil der amerikanischen Popkultur, er ist überall, dominiert die größten Bühnen des Landes, regiert die Charts. HipHop versteht sich aber trotzdem in einer ganz konkreten Blutlinie mit Gospel, Jazz und Blues. Musikrichtungen, die allesamt als Samplematerial unabdingbar zu Hip-Hop gehören.

Mit den geloopten Schnipseln verpflanzten sich die frühen Rapper wie N.W.A. nicht nur die musikalische Geschichte in die eigene DNA, sondern auch die Ernsthaftigkeit und das politische Bewusstsein ihrer Vorgänger. Ergänzt durch klare historische Rolemodels wie Martin Luther King oder Muhammad Ali ergibt sich ein komplexes Puzzle.
Zwar ist auch in Amerika nicht alles Gold, was glänzt. Unterdrückung und Rassismus sind noch immer präsent. Umso wichtiger aber scheinen Figuren wie Kendrick Lamar, dessen Song “Alright“ zur Hymne für Gleichberechtigung und gegen Polizeigewalt wurde.
„Von Assis für Assis“
In Deutschland derweil gilt Rap vor allem als Ausdruckform von Migranten. Und die hadern mit der verbreiteten Geringschätzung dieses Genres etwa durch Radiosender. Ihr Verdacht: Die Missachtung sei oftmals rassistisch motiviert. Und tatsächlich wird migrantischer Rap im öffentlichen Diskurs allzu oft als „von Assis für Assis“ abgetan. Geht es darum, positive Beispiele zu finden, werden meist deutsche Rapstars wie Marteria oder Casper genannt.
Das führt zu einer undurchlässigen Verhärtung der Fronten. Dass die Rapszene ihre üblichen Problemfelder wie Homophobie, Gewaltverherrlichung, Verschwörungstheorien und Sexismus durchaus kontrovers diskutiert, dringt kaum nach außen. Die Herkunft zahlreicher migrantischer Rapstars aus ärmsten Verhältnissen findet keine Berücksichtigung.
Dabei wird auch klar: Es fehlt vor allem an Leitfiguren wie Jay-Z oder Kendrick. An echten Vorbildern. All jene Rapper, die einen ähnlichen Status erreichen könnten, sie entweder zu unpolitisch (Sido) oder schlicht zu hart (Haftbefehl).
Das könnte sich ändern: Immer mehr junge Rapper positionieren sich klarer und durchdachter. Der ansonsten eher für inhaltslose Texte bekannte Capital Bra sorgte mit dem Hashtag #sagfuckzurassismus für eine kleine Internetbewegung. Nach den Anschlägen von Hanau organisierte der aus Hanau stammende Künstler Azzi Memo einen Benefiz-Track, dem sich zahlreiche Rapstars angeschlossen haben. Deutscher Hip-Hop scheint hier auf einem guten Weg. Und der Weg in die Geschichte zeigt: Es dauert immer seine Zeit, bis die Trends aus dem Mutterland des Hip-Hops auch bei uns ankommen.