Liebe Festivalbesucher, die kommenden Wochen und Monate hätten euer Höhepunkt des Jahres sein sollen. Die Sonne scheint und die Temperaturen steigen. Das wäre die Zeit gewesen, das Zelt, die Gummistiefel und den Grill in den Kofferraum zu werfen und durch die Republik zu fahren – von einem Musikspektakel zum anderen.

Nährboden für eine Ausbreitung

Leider verbirgt sich in meinen ersten Sätzen an euch viel Konjunktiv, denn: die Corona-Krise macht einen Strich durch die Rechnung aller, die im Menschenbad zu den Klängen von Rock-, Techno- oder Popmusik lauschen wollten. Die Festivalsaison fällt ins Wasser, und da können uns auch unsere Gummistiefel nicht mehr helfen. Zu groß ist die Gefahr, in der großen Masse dem Virus den Nährboden zu geben, den es für seine rasante Ausbreitung benötigt. Das Verbot von Großveranstaltungen ist verständlich – und auch die richtige Entscheidung.

Die Festivals sind nicht zu ersetzen

Ersetzen, so ehrlich muss man an dieser Stelle sein, kann man diesen kulturellen Verlust nicht. Auch ich gehöre zu denjenigen, die sich auf das Festival-Getümmel auf dem Southside gefreut haben. Ich kann euren Frust nachvollziehen. Natürlich kann auch zuhause den Liedern der Lieblingsband gelauscht werden. Natürlich können Aufnahmen von vergangenen Festivals angeschaut werden – doch das Adrenalin, die Emotionen, wenn die Klänge der Gitarre und der dröhnende Bass die lauten Boxen auf einen herabgeblasen werden, kann dies nicht hervorrufen.

Auch den Schmerz über den damit abgesagten Auftritt dieser einen Lieblingsband, die man schon immer live erleben wollte und die nur alle Jubeljahre auf die Bühne steigt, müssen wir ertragen.

Das Southside gehört zu den Höhepunkten regionalen Festival-Saison. Dieses Jahr wird das ehemalige Flugplatzgelände in Neuhausen ob Eck ...
Das Southside gehört zu den Höhepunkten regionalen Festival-Saison. Dieses Jahr wird das ehemalige Flugplatzgelände in Neuhausen ob Eck leer bleiben – Großveranstaltungen wie Musikveranstaltungen sind bis Ende August verboten. | Bild: Oliver Hanser

Doch da hilft es nicht, in Wehmut zu verfallen. Die Zelte müssen dieses Jahr eben zuhause aufgeschlagen werden, da führt kein Weg dran vorbei. Doch wenn wir ehrlich sind, sind Festivals sowieso genau das Gegenteil von dem, was wir in der Überwindung der Coronavirus-Pandemie brauchen.

Der ganz normale Wahnsinn

Festivals stehen für Menschen aus den verschiedensten Ländern, die auf einem Fleck zusammenkommen, um ihre Musikrichtung zu zelebrieren: vom Baggerfahrer im Blaumann bis zum Geschäftsführer im feinen Zwirn. Das gibt es nur hier. Und das wird fehlen.

Sie stehen für wenig Privatsphäre auf dem Campingplatz, wo keine Wände, sondern nur ein dünnes Stück Stoff das vorübergehende Schlafgemach von den Nachbarn, die teils unbekannt sind, trennt. Die Musikveranstaltungen stehen für die Nähe zu anderen, die manchmal inniger ist als man es möchte, wie an dicht gedrängten Bühnen. Ein anderes Mal genau richtig, eng beisammen mit Campingstühlen beim nächtlichen Grillen. Der ganz normale Wahnsinn eben. Doch diesen Wahnsinn können wir uns aktuell nicht erlauben.

Normalerweise stehen die Zelte auf dem Southside dicht an dicht.
Normalerweise stehen die Zelte auf dem Southside dicht an dicht. | Bild: Singler, Julian

Deshalb, liebe Festivalbesucher, müssen wir jetzt gemeinsam diese Zeit ohne Live-Musik überstehen. Warten, bis ein Impfstoff dem ganzen Spuk ein Ende bereitet. Aber das Warten sind wir ja gewohnt, im Stau bei der Anreise, bei der Ausgabe der Eintrittsbändchen und vor dem Einlass aufs Bühnengelände. Das hat uns auch noch nie abgeschreckt. Denn als Festivalbesucher wissen wir: nach dem Warten beginnt die große Show.