Was für Zeiten, in denen ein Gespräch über Fußball schon anmaßend ist. Der Außenseiter biete dem Favoriten einen „erbitterten Kampf“, sagt der Reporter der DFB-Pokal-Übertragung. Nur wenig später höre ich, es sehe im Wohnzimmer ja aus, als habe „eine Bombe eingeschlagen“. Wenig später ertappe ich mich dabei, etwas „in Angriff nehmen“ zu wollen.
Das klang alles einmal so unschuldig, so spielerisch leicht. Und jetzt so hohl, so falsch, so deplatziert.

Nicht einmal so etwas wunderbares wie Freundschaft ist in diesen Tagen noch unbelastet. Ein deutscher Altkanzler lässt sich nicht beirren, hält seinem Freund im Kreml unverbrüchlich die Treue. Er ist eben ein Mann der Prinzipien. Wie oft habe ich ihn dafür gelobt!
Überzeugung statt Demoskopie
Dieser Kanzler, Gerhard Schröder, war anders als seine Nachfolgerin, habe ich gesagt. Er ist oft seiner Überzeugung gefolgt statt demoskopischen Erhebungen, hat dafür am Ende sogar seine Macht aufs Spiel gesetzt. Da ging es noch um unpopuläre, aber notwendige Sozialreformen und um den mutigen Einsatz gegen einen sinnlosen Krieg.
In einen ebensolchen sinnlosen Krieg zieht jetzt auch Russlands Präsident Wladimir Putin, ein Mann, dessen Bekanntschaft Schröder allein seinem öffentlichen Amt zu verdanken hat. Einem Amt, das zu erringen ihm einst eine liberale, demokratische Gesellschaft ermöglichte. Eine Gesellschaft also, in der selbst Menschen aus ärmsten Verhältnissen ganz nach oben gelangen können. Sie brauchten nur ganz einfach von ihrer Meinungsfreiheit Gebrauch machen.
In Deutschland wird niemand verhaftet, weil er am Zaun des Kanzleramtes rüttelt und „Ich will hier rein!“ ruft. In Deutschland kommt derjenige tatsächlich rein: jedenfalls, wenn er sich politisch engagiert, Verantwortung übernimmt, Menschen von seinem Standpunkt überzeugt.
Wer in Deutschland Kanzler wird, muss nicht fürchten, in ein Arbeitslager geschickt oder gar hinterrücks erschossen zu werden, wenn seine Zeit an der Spitze einmal zu Ende geht. Er bekommt dann vielmehr eine ordentliche Rente, Personenschutz auf Lebenszeit, Dienstwagen, Büro. Und darf zusätzlich seine in der Politik geknüpften Kontakte zu Geld machen.
Macht und Geld, auf diesem Fundament wurde die Männerfreundschaft zwischen Wladimir Putin und Gerhard Schröder gebaut. Das Fundament verdankt sich dem deutschen Wähler und Steuerzahler. Der nun wegen eines größenwahnsinnigen Kriegstreibers mal eben 100 Milliarden Euro in Waffen, Munition, Soldaten investieren darf.
Und jetzt stellt sich dieser ehemalige Kanzler hin, nach diesem unfassbaren Überfall auf ein unabhängiges Land, auf die ganze westliche Gesellschaftsordnung, auf die Werte von Meinungsfreiheit, Chancengleichheit, Demokratie: Da stellt sich dieser Mann mit dieser Biografie also hin, schwafelt von „Fehlern auf beiden Seiten“. Davon, dass jetzt die „Verbindungen nicht gekappt werden“ dürften. Von „Dialog über Frieden und Sicherheit“.
Es wirkt vieles so hohl in diesen Tagen, so falsch und deplatziert. Fußballspiele, Castingshows, Schlagersendungen. An Gerhard Schröder aber reicht nichts davon heran. Dieser Mann verhält sich einfach beispiellos: einmalig ekelhaft.