Wer hat wen verehrt, wer war mit wem befreundet, wer hat von wem profitiert? Dem Beziehungsgeflecht unter Komponisten widmete sich „Reminiszenzen“, das vierte philharmonische Konzert der Südwestdeutschen Philharmonie mit Werken von Mozart, Strauss, Mahler, Schubert und Berio.

Mit großem Respekt hat der Italiener Luciano Berio (1925-2003) die Skizzen von Franz Schubert zu einer 10. Sinfonie in ein ganz neues, eigenständiges Werk überführt. „Rendering“, also als Darstellung oder schlicht nur als Wiedergabe bezeichnet er seine Komposition, die 1988/89 entstand. Die verwaltet das Orchester unter der präzisen Leitung der polnischen Dirigentin Ewa Strusinska aufmerksam und mit großem Einsatz. Außer der Restaurierung der Skizzen – etwa durch Ergänzung der mittleren Stimmen, die in der Orchestrierung Schuberts C-Dur-Sinfonie folgen – fügt Berio ein verbindendes Gewebe in die bestehenden Lücken. Er nennt es „Zement“, aber es ist viel mehr als ein fest betoniertes Fundament: Sich ständig ändernde Cluster-Klangnebel sind das.

Hell tönende Celesta

Wie klangfarbenreiche Teppiche mit irritierenden Bläserfiguren, sirrenden Streicherflächen oder hell tönenden Celesta-Glöckchen verschaffen sie den Schubert-Gedanken ein spannendes neues Leben. Beim Hören gerät man ins Grübeln: Wie wäre es, die Komposition von Berio aus zu denken? Hätte dann Schubert aus einem Pool von Berios Ideen Anregungen aufgegriffen und weitergeführt? Denn schon die Skizzen aus Schuberts letztem Lebensjahr weisen auf neue Wege, die ihn weit weg von Beethovens Einfluss geführt hätten.

Das zweite Hauptwerk des Abends – nach der routiniert vorgetragenen Haffner-Sinfonie Mozarts – war Richard Strauss‘ 1. Hornkonzert. Mit Carsten Duffin konnte ein begnadeter junger Hornist gewonnen werden, der die frühe Strauss-Komposition mit ihren Jagdrufen und liedhaften Themen mit wunderbar weichem Ton und präzisem Spiel gestaltete. Dem folgte das Orchester mit geschmeidigen Lautstärke-Kontrasten. Immer waren auch Soloinstrumente im Dialog mit dem Horn gefordert. Und immer sind Anklänge an den Klassiker Mozart auszumachen, den Strauss verehrte.

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Gustav Mahler und Richard Strauss schließlich verband eine jahrzehntelange künstlerische und menschliche Beziehung. Das Adagietto für Harfe und Streichorchester aus Mahlers fünfter Sinfonie wirkt wie ein gefühlvoller Beweis für diese Partnerschaft und zeigt gleichzeitig, wie eng die Verwandtschaft zu Schuberts Ringen um dichten Ausdruck des Empfindens ist. Wie ein Lied ohne Worte wogen Mahlers lyrische Melodien und die Dirigentin hielt die breiten Legato-Bögen bewusst im Fluss.

Mit diesem Konzert stellte sich die einzige Frau im Reigen der Dirigenten als Anwärterin für den vakanten Chefdirigenten-Posten der Philharmonie vor. Ewa Strusinska (45) überzeugte mit körperbetontem Dirigat und mitreißendem Engagement, das sie besonders differenziert im selten zu hörenden Schubert/Berio-Werk auf das Orchester zu übertragen wusste.