Für die Südwestdeutsche Philharmonie wird es eine außergewöhnliche Saison – und damit auch für das Konzertpublikum. Denn das Orchester bestreitet sie ohne einen Chefdirigenten. Derzeit ist es auf der Suche nach einer neuen Orchesterleitung, nachdem es sich gegen eine Vertragsverlängerung für Ari Rasilainen und für eine Neuausschreibung der Stelle entschieden hatte.
Zehn Philharmonische Konzerte stehen auf dem Programm – zehn unterschiedliche Dirigenten stehen am Pult, darunter auch eine Frau, die polnische Dirigentin Ewa Strusinska. Nicht alle, aber viele von ihnen kommen für den vakanten Chefposten in Frage. Das sorgt von vornherein für Spannung und maximale Abwechslung in den Konzerten, die im Konstanzer Konzil und teilweise auch im Radolfzeller Milchwerk erklingen.
Viel Abwechslung findet sich auch in der Riege der Solisten, genauer gesagt in den Solo-Instrumenten. Bekanntlich gibt es sehr viel Solo-Konzert-Literatur für Klavier und Violine. Weitere Instrumente spielen hingegen oft die sprichwörtlich zweite Geige.

Im Programm der Südwestdeutschen Philharmonie hingegen tauchen nun ein Gitarrist (Frank Bungarten mit dem spanischen Klassiker „Concierto de Aranjuez“ von Joaquín Rodrigo), ein Hornist (Carsten Duffin mit Richard Strauss‘ 1. Hornkonzert), ein Bratschist (Laurence Power mit einem Werk des japanischen Komponisten Toru Takemitsu), ein Cellist (Torleif Thedeen mit – eine Überraschung – Dmitri Kabalewski) und eine Saxophonistin (die junge Ukrainerin Asya Fateyeva mit Debussys Rhapsodie für Altsaxophon und Orchester) auf. Da fallen die beiden Klaviersolisten Giuseppe Guarrera und Anika Vavic (mit Liszt bzw. Prokofiew) kaum noch ins Gewicht.
So viel Abwechslung ist da programmiert, dass der einzige Geigensolist, Linus Roth, der in zwei unterschiedlichen Konzerten auftaucht, im Programmbuch schon als „Artist in Residence“ ausgewiesen ist – was aber auch dadurch seine Berechtigung hat, dass Roth aus der Region kommt.
Der 44-Jährige wurde in Ravensburg geboren und war zu Studienzeiten Stipendiat der Anne-Sophie-Mutter-Stiftung. Er lehrt inzwischen in Augsburg und ist Mitbegründer der „International Mieczyslaw Weinberg Society“, die sich für das Werk des erst allmählich wiederentdeckten sowjetischen Komponisten polnisch-jüdischer Herkunft einsetzt. Folgerichtig spielt Roth auch mit der Südwestdeutschen Philharmonie das Violinkonzert von Weinberg.
Der Reigen der Philharmonischen Konzerte startet am Freitag, 24. September ganz ohne Solisten. Nach der Corona-Pause soll, so die Intendantin Insa Pijanka, erst mal das Orchester selbst im Vordergrund stehen. Das Programm, das vom Ersten Gastdirigenten Marcus Bosch geleitet wird, trägt deutlich Pijankas Handschrift und widmet sich in Ouvertüren und Suiten großen Bühnenwerken der Musikgeschichte – darunter Mozarts „Zauberflöte“ sowie die Suite aus Richard Strauss‘ Oper „Frau ohne Schatten“. Strauss und sein Librettist Hugo von Hofmannsthal wollten mit diesem Werk eine „neue Zauberflöte“ schaffen.
Die weiteren neun Programme warten immer wieder mit Überraschungen auf, ohne den Eindruck zu erwecken, zwanghaft nach Raritäten zu schürfen oder gar zur Neue-Musik-Erziehung ansetzen zu wollen.
Selbstverständlich gibt es Klassik-Hits wie Tschaikowskys „Pathétique“, Robert Schumanns „Frühlingssymphonie“, Ravels „La Valse“ oder das „Adagietto“ aus Gustav Mahlers 5. Symphonie. Aber daneben erklingt von Beethoven eben nicht die fünfte oder siebte, sondern die wenig gespielte achte Symphonie und von Dvorak anstatt der Symphonie aus der Neuen Welt seine Sechste.
Die Philharmonischen Konzerte sind zwar das Herzstück des Saisonprogramms, doch hat dieses noch einiges mehr zu bieten. Unter den Sonderkonzerten finden sich wieder Weihnachtsprogramme – darunter ein Weihnachtsoratorium zum Mitsingen der Choräle –, ein Neujahrskonzert, ein Tag der Alten Musik im Inselhotel und im Sommer ein Open-Air-Konzert auf dem Münsterplatz.
Außerdem setzt Dirigent Marcus Bosch seine Bruckner-Reihe im Münster fort (dieses Mal mit der fünften Symphonie). Hinzu kommt ein wahres Füllhorn an Kammermusikkonzerten, in denen sich Musiker und Musikerinnen der Philharmonie mit ihren speziellen Interessen und Fähigkeiten zeigen. Es darf losgehen – dieses Mal gerne ohne Lockdowns.
Der Vorverkauf für die Saison startet am 13. September. Bis zur Veröffentlichung dieses Artikels stand noch nicht fest, ob der Verkauf von Abonnements wieder aufgenommen werden kann. Infos über die aktuell gültigen Voraussetzungen für den Konzertbesuch unter www.philharmonie-konstanz.de