In der deutschen Coronagesellschaft gehen merkwürdige Dinge vor! Obwohl noch nicht einmal die Hälfte aller Bürger die erste Impfung erhalten hat, hat es den Anschein, als habe inzwischen jeder – aber wirklich jeder – aus dem Freundes-, Bekannten-, Kollegen- und sonstigem Kreis mindestens eine Dosis in den Oberarm gedrückt bekommen.

Wer freudig verkündet, er gehöre jetzt auch dazu, denn er habe es geschafft, sich beim Hausarzt eine Spritze zu organisieren oder im Impfzentrum nach stundenlanger Warterei den Schuss gesetzt zu bekommen, erntet nur ein mitleidiges Lächeln. Die anderen sind längst meilenweit voraus, stehen kurz vor dem zweiten Termin oder sind schon voll imprägniert und bereits mit einem Bein auf Malle.

Dabei ist täglich an jeder Ecke zu hören, es sei „viel zu wenig“ oder „immer noch viel zu wenig“ Impfstoff verfügbar. Teilweise müssten Termine wieder abgesagt, Impfwillige nach Hause geschickt werden. Hausärtze stehen vor leeren Kühlschränken und kämpfen wie die Löwen bei Apotheken und Großhandel um Nachschub. Wie kann es also sein, dass trotz der irrsinnigen Knappheit an Impfstoff Abermillionen Menschen fröhlich ihren Impfpass den noch fröhlicheren Gastwirten unter die Nase halten, sodass die gar nicht mehr dazu kommen, die gelben Lappen einer genauen Prüfung zu unterziehen?

Das könnte Sie auch interessieren

Dass sich ganz Deutschland frei impft, haben wir Jens Spahn zu verdanken, dem gewieften und umsichtigen Organisator des großen Bundesimpfwettbewerbs. Wenn er nicht gerade untersuchen muss, wie es passieren konnte, dass sich Betrüger nicht nur mit Masken, sondern auch mit Geister-Tests eine goldene Nebenerwerbsnase verdient haben, wenn er also wirklich zum Arbeiten kommt, dann zieht er den Vorhang zum nächsten großen Impf-Kraftakt in die Höhe: Die Priorisierung fällt ab Montag, und dann heißt es: „Auf die Plätze, fertig, los!“

Millionen im Impftrubel

Natürlich gibt es vom Impfstoff auch im Juni immer noch viel, ja viiiiiel zu wenig, aber Millionen Bürger lassen sich vom Impftrubel mitreißen, obwohl zwischendrin die altbekannten Mahner und Warner die Feierlaune vermiesen. Es seien ja, wird von hinten geunkt, noch gar nicht alle „vulnerablen Gruppen“ geimpft! Das kann doch nur heißen: Zu den bis jetzt fast 50 Prozent vulnerablen – also verwundbaren und hoch verwundbaren – Geimpften kommen locker nochmal 20 bis 30 Prozent genauso Vulnerable dazu.

Das ist natürlich ein furchtbares Armutszeugnis für das deutsche Gesundheitswesen im Allgemeinen und für die Ärzte im Besonderen, deren flächendeckendes Versagen – die Zahnärzte vielleicht ausgenommen – nun offensichtlich wird. Denn trotz eines jährlich dreistelligen Milliardenbetrags, den wir verzweifelt in Medizin, Praxen und Kliniken pumpen, sind mindestens dreiviertel der Deutschen vulnerabel, also chronisch krank!

Das könnte Sie auch interessieren

Falls Sie das noch nicht wissen oder bemerkt haben, lieber Leser, nehmen sie sich Zeit und probieren Sie es aus: Man muss nur lange genug in sich hineinatmen und hineinhören, und die Diagnose für ein mindestens sanftes Nervenleiden kann gar nicht ausbleiben. Wir Deutschen sind ein Volk von Kranken, das steht fest. Dennoch schaffen wir es jeden Tag neu, den Laden am Laufen zu halten. Macht uns das auf der Welt einer nach? Nein!