Wer autoritär herrscht, hat einen Vorteil: Er kann über Wochen einen Krieg planen, zielstrebig und geheim, ohne lästige Diskussionen. Wer autoritär herrscht, hat aber auch einen Nachteil. Ohne lästige Diskussionen kann es nämlich passieren, dass der so sorgsam vorbereitete Militärschlag nach hinten losgeht. Weil niemand sich traut, dem Diktator die Wahrheit zu sagen.
Die Demokratie kann im Kampf gegen totalitäre Systeme nur bestehen, wenn ihre Stärke mehr ins Gewicht fällt als ihre Schwäche. Fehlt in China zur Coronabekämpfung ein Krankenhaus, stampft man es eben aus dem Boden. Hierzulande wird erst geprüft, ob der Bau eine seltene Fledermausart bedroht. Der Lohn dafür besteht in besseren, transparenteren, zuverlässigeren Ergebnissen. So lautet das Versprechen.
Doch wer darauf vertraut, wird zusehends enttäuscht. Statt „besser, transparenter, zuverlässiger“ gilt immer öfter: Erst erkennen wir das Problem zu spät. Dann verheddern wir uns in Debatten. Und am Ende bleibt alles wie gehabt.

Das fängt an bei der unzureichenden Vorbereitung einer von Experten lange angekündigten pandemischen Notlage. Es setzt sich fort in energiepolitischer Abhängigkeit von einem Staat, der seit Jahren völkerrechtswidrige Kriege führt. Und es findet seinen vorläufigen Höhepunkt in der verschleppten Modernisierung der Bundeswehr.
Angst und bange
Mit Blick auf Beispiel Nummer eins kann einem für die Aussichten auf unsere energiepolitischen und militärischen Herausforderungen nur angst und bange werden: In zahlreichen Gesundheitsämtern rödelt nach zwei Jahren Pandemie noch immer das Faxgerät, die Digitalisierungsprogramme für Schulen liegen wieder im Dornröschenschlaf. Steht es um die Reformfähigkeit unserer Verteidigung besser? Das peinliche Hickhack um Waffenlieferungen gibt Anlass zu Zweifeln.
Wenn Regierungen in immer kürzeren Abständen erschrocken eine „Zeitenwende“ ausrufen und zuvor sträflich vernachlässigte Behörden über Nacht auf Vordermann bringen müssen, liegt das nur zum Teil an einer dynamischer werdenden Welt.
Zur Wahrheit gehört, dass der Politbetrieb selbst immer kurzatmiger agiert. An die Stelle des sorgfältigen Gestalters ist ein eiliger Kellner getreten: Was der Wähler bestellt, wird zügig angeliefert, mag der Fisch auch verdorben sein. Fordert der Gast billiges Gas, gibt es eben billiges Gas.
Unter Kanzlerin Angela Merkel hat dieses Führungsverständnis eine fatale Vollendung gefunden. Je nach aktuellem Stand der Meinungsumfragen wurde die Atomkraft mal gefeiert, mal verteufelt. Mit ihrer von Demoskopen getriebenen Politik, schrieb der „Spiegel“ einmal, habe die Kanzlerin „in aller Heimlichkeit die direkte Demokratie eingeführt“.
Man kann mit diesem Verfahren wunderbar Wahlen gewinnen und Machterhalt sichern. Politische Verantwortung aber bedeutet, eine Bundeswehr auch dann angemessen auszustatten, wenn es den Wähler gerade nicht interessiert.
Jeder Kellner sollte wissen: Ein Gericht, das schon lange nicht mehr auf der Karte stand, kann die Küche nicht mal eben wieder aus dem Hut zaubern. Mit staatlichen Institutionen verhält sich das kaum anders. Wer eine Armee so lange links liegen lässt, bis der Despot nebenan mit der Atombombe winkt, braucht beim Wiederaufbau Zeit, die er dann vielleicht nicht hat.
Politik ist in der Lage, sich selbst zu disziplinieren: Maßnahmen wie die Einführung einer Schuldenbremse oder die angepeilte Festschreibung des Zwei-Prozent-Ziels für Verteidigungsausgaben im Grundgesetz sind Brandmauern gegen populistische Versuchungen.
Soll unsere Demokratie im Wettbewerb gegen totalitäre Systeme bestehen, braucht es mehr davon. Eine Diversitätsvorschrift für den Energiemix, ein fester Investitionsbetrag für digitale Infrastruktur: Das wären nur zwei von vielen Lehren, die man aus den vergangenen Jahren ziehen könnte.