Zum Wesen einer jeden Silvesterparty gehört es, Vorsätze fürs neue Jahr zu schmieden. Was für eine Zeitverschwendung! Der Mensch könnte es sich einfacher machen: Er müsste nur öfter seufzen.

Das Seufzen nämlich wird völlig unterschätzt. Dabei ist es wesentliche Ausdrucksform in Kunst und Kultur. Was wäre Venedig ohne die Seufzerbrücke? Was bliebe von Donald Duck ohne „Seufz“ und „Ächz“? Wer seufzt, sagt nichts und damit mehr als tausend Worte. Das wusste bereits Kleist, der seine Alkmene nur melancholisch „Ach?“ hauchen lässt, als sie begreift, dass sie gerade mit einem Gott geschlafen hat!

Selbst in Ärztekreisen gilt das Seufzen als Ventil, um Dampf abzulassen. Wer seufzt, und das regelmäßig, lebt gesünder, heißt es. Das hätten auch Studien mit Schimpansen gezeigt. Dabei reichen einzelne Wörter, um den Frust weiterzugeben wie den Staffelstab bei den Rennen von Olympia. „Hach!“ zum Beispiel – eine Silbe, mehr nicht. Und doch so herrlich ambivalent.

Verzückung und Resignation

„Hach!“ kann vieles bedeuten, Verzückung, Abscheu, Enttäuschung, Resignation. In einigen Fällen bleibt es dem Gegenüber immer ein Rätsel. Wie ausgezeichnet das zu unserer Gegenwart passt, von der es ja andauernd heißt, sie werde immer komplizierter. Hach!

Wie gut so ein Seufzer der Seele tut, zeigt sich gerade auch im Fernsehen. Hier rührt der übliche Rückblickswahnsinn munter das zusammen, was noch nie zusammengehört hat – die Kriege, den Koalitionsbruch, die Rückkehr von Thomas Gottschalk. Kein Wunder, dass einige das Fernsehen ganz eingestellt haben und nur noch Katzenvideos auf Instagram gucken. Hach!

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Dazu kommt: So ein Seufzer spart gegenüber der Hasstirade wertvolle Lebenszeit. Belege gibt es viele – ein Auszug: FDP-Chef Lindner konnte von den D-Day-Plänen seiner Partei nichts ahnen? Hach! Der Vatikan hat jetzt sein eigenes Maskottchen? Hach! Donald Trump als neuer US-Präsident? Hach! Thomas Mann als Playmobil-Figur? Vertrauensfrage des Kanzlers, Neuwahlen im Februar? Hach, hach, hach!

Es sind nur vier Buchstaben, die so dahingehaucht vor einem stehen, dass man zum Gebrüll über die Tiefschläge unserer Zeit gar nicht mehr zurückkehren möchte. Nein, man möchte nunmehr nur noch angehacht werden. Von allen Seiten und überhaupt. Denn „Hach!“ ist mehr als ein Laut, mehr als ein Vorsatz. Es ist seufzende Selbstbestimmung, ein Kulturgut. Deshalb, liebe Leserinnen und Leser. Nehmen Sie es sich zu Herzen: Seufzen Sie 2025 mehr!