Der Schweizer Schriftsteller Max Frisch (1911-1991, „Homo Faber“) notierte einst Fragen, die auch den klügsten Kopf in Verlegenheit bringen. Mit freundlicher Genehmigung des Suhrkamp-Verlags, in dem der Fragebogen erschienen ist, lassen wir regelmäßig prominente Persönlichkeiten auf einige der Fragen antworten. Heute ist die Singer-Songwriterin Lea an der Reihe.
Möchten Sie das absolute Gedächtnis?
Nein, ich glaube, das Vergessen gehört zum Menschsein dazu und ist in manchen Momenten auch heilsam. Durch das Vergessen können wir das Erinnern erst richtig schätzen.
Was tun Sie für Geld nicht?
Für kein Geld der Welt würde ich etwas tun, an das ich nicht glaube. Für mich ist es das Wichtigste, 100 Prozent hinter dem zu stehen, was ich mache.
Was könnten Sie sich nicht verzeihen?
Ich könnte mir nicht verzeihen, wenn ich aufhören würde, meine Handlungen zu reflektieren. Wenn ich etwas bereue, verarbeite ich das aktiv, um überhaupt loslassen zu können. Wir können die Vergangenheit nicht ändern, aber ich habe für meinen Teil die Möglichkeit, es in Zukunft besser machen zu können.
Welche Staatsmänner halten Sie für moralisch?
Wieso nur Staatsmänner? Ich würde den Fokus gern auch auf die Staatsfrauen dieser Welt richten! Bei unserer Bundeskanzlerin Angela Merkel habe ich das Gefühl, dass es ihr nicht darum geht, einen persönlichen Vorteil zu ziehen, sondern in einer Demokratie das Wohl der Menschheit in den Vordergrund zu stellen.
Tun Ihnen die Frauen leid?
Nein, genauso wenig tun mir die Männer leid, denn „Leid tun“ ist kein guter Antrieb für Gleichberechtigung oder Anerkennung.
Was bezeichnen Sie als männlich?
Dafür habe ich keine besondere Bezeichnung. Jeder Mensch unterscheidet sich genetisch, dabei gibt es auch unterschiedliche Formen von Geschlechtsidentitäten, nicht nur die binäre. Ich möchte die Bezeichnung „männlich“ nicht stereotypisieren und pauschal bewerten.
Können Sie sich eine Frauenwelt vorstellen?
Nein, genauso wenig wie eine Männerwelt. Aber ich kann mir eine Welt der Gleichberechtigung vorstellen.
Wissen Sie in der Regel, was Sie hoffen? Welche Hoffnung haben Sie aufgegeben?
Hoffnungen können wachsen, sich über Jahre hinweg verändern oder ganz auslöschen. Ich habe im Erwachsenenalter die Hoffnung aufgegeben, dass diese Welt mit der Bevölkerung der Menschheit eines Tages völlig friedlich sein wird.
Was ertragen Sie nur mit Humor?
Humor hilft Alltäglichem mit heiterer Gelassenheit zu begegnen. Dabei ist die Sprache unser mächtigstes Werkzeug. Wie traurig und trist wäre die Welt ohne Humor? Demnach glaube ich, dass das Leben mit einer gesunden Portion Humor erträglicher ist.
Verändert im Alter sich der Humor?
Auf jeden Fall! Auch wenn das Kind in uns nie verschwindet, verändern Erfahrungen und Wissen unser Verständnis von Humor.
Können Sie sich eine menschliche Existenz (das heißt: die Erste Welt) überhaupt noch vorstellen ohne Computer?
Ich wünschte, ich hätte die Welt ohne Computer noch mehr mitbekommen. Mein erstes Nokia 3410 gab‘s mit 13 Jahren, auf dem ich „Snake“ gespielt und überteuerte, gut überlegte SMS verschickt habe. Es gab damals kein Instagram, TikTok oder Facebook. Auch wenn ich es schön finde, dass sich die Menschen immer besser vernetzen können, wünschte ich mir, dass die heutige junge Generation nicht so geblendet davon wäre. Eine virtuelle Realität kann Unzufriedenheit hervorrufen.
Wie alt möchten Sie werden?
So alt, wie es das Leben für mich vorgesehen hat.
Wen, der tot ist, möchten Sie wiedersehen?
Meine Opas, denn die hätte ich gerne besser kennengelernt.
Wen hingegen nicht?
Diejenigen, die mehr Schaden als Gutes dieser Welt zugefügt haben.

Haben Sie schon Auswanderung erwogen?
Nein, zumindest bisher nicht. Ich will es aber auch nicht ausschließen. Wer weiß, was in ein paar Jahren ist. Ich habe nach dem Abitur, als ich 19 Jahre alt war, für sechs Monate in Argentinien gelebt und weiß seitdem umso mehr die sozialen Strukturen und die Sicherheit, die Deutschland bietet, zu schätzen.
Wann haben Sie aufgehört zu meinen, dass Sie klüger werden oder meinen Sie‘s noch? Angabe des Alters.
Woran misst man „klug sein“? Mit meinen 28 Jahren weiß ich, dass ich bewusst reflektieren kann und dass ich so reich an Erfahrungen bin wie noch nie zuvor. Jeder Tag generiert neues Wissen, wenn ich zuhöre, beobachte, respektiere, reflektiere und handele. Ich werde wohl mein ganzes Leben daran wachsen.
Gesetzt den Fall, Sie haben nie einen Menschen umgebracht, wir erklären Sie es sich, dass es dazu nie gekommen ist?
Um ehrlich zu sein, möchte ich lieber darüber nachdenken, wie man diese Welt ein bisschen besser machen kann, statt dieser hypothetischen Frage nachzugehen.
Haben Sie Angst vor dem Tod und seit welchem Lebensjahr?
Mehr vor dem Sterben als vor dem Tod an sich. Wir leben in einer Gesellschaft, in der der Tod und das Sterben sehr ausgelagert und im Alltag nicht sehr präsent ist.