Frau Wolfram, das neue Bremer Tatort-Team besteht aus drei sehr unterschiedlichen charakterstarken Persönlichkeiten. Wie haben Sie sich verstanden?
Ich finde, wir drei harmonieren sehr gut. Jasna und ich kennen uns ja schon von der Ernst-Busch-Schauspielschule. Das ist ein ziemlich kleiner Verein, in dem man viel mit den anderen Studierenden zu tun hat. Außerdem habe ich mit Jasna schon an der Schaubühne in Berlin in einem Theaterstück zusammengespielt. Dar Salim kannten wir beide noch nicht. Zu dritt haben wir eine sehr gute Dynamik: Wir befeuern uns gegenseitig an sehr unterschiedlichen Stellen.
Sie spielen Linda Selb bereits seit 2016. Was gefällt Ihnen besonders an dieser sympathisch-eigenwilligen Kommissarin, die fachlich äußerst kompetent und menschlich leicht verschroben wirkt?
Ihre Vielschichtigkeit: Linda ist eine sehr selbstbewusste, autarke Frau, die immer sagt, was sie denkt. Sie ist eine absolute Expertin im Bereich Kriminaltechnik, die allerdings mit ihrer gnadenlosen Direktheit schon mal ihr Umfeld verschreckt. Bei ihr weiß man jedenfalls immer, woran man ist. Das merken auch ihre neuen Kollegen Mads Andersen und Liv Moormann. Linda erlaubt sich dabei, die beiden als „der Frischling“ und „der Wikinger“ zu bezeichnen. (lacht) Ich freue mich jedenfalls sehr, dass ich mit Linda Selb eine Figur weiterspielen kann, die ich schon kenne und die ich nicht erst aus dem Boden stampfen musste.
Wie entwickelt sich Ihre Filmfigur in der neuen Tatort-Konstellation weiter? Linda ist ja quasi von einem Nebenpart in eine Hauptrolle befördert worden.
Im neuen Team erlaubt sich Linda mehr menschliche Facetten. Sie zeigt sich jetzt dünnhäutiger, empfindsamer und humorvoller. Man kommt ihr insgesamt näher, gewinnt mehr Einblicke in ihr Privatleben und lernt auch ihr Zuhause kennen. Das Drehbuch gibt Linda in den neuen Geschichten mehr Zeit, mit ihr mitzugehen und sie in anderen Situationen zu erleben. Außerdem sieht man Linda nicht mehr in diesem Liebeskontext, der ihre Beziehung zu Nils Stedefreund mit sich gebracht hat – und mich zum „frechen Sidekick von Olli Mommsen“ machte. (lacht)

Für eine extra Portion Humor sorgen Lindas Sprüche und ihr Wortwitz. Können Sie selber einen gewissen Einfluss auf das Drehbuch und die Dialoge nehmen?
Unser Autor Christian Jeltsch hat die Figur der Linda Selb quasi erfunden und jetzt auch wieder diesen Tatort geschrieben. Das ist eine sehr schöne Zusammenarbeit mit ihm. Und manchmal entsteht auch direkt beim Drehen durch die Situationskomik der eine oder andere Spruch, den man sich vorher so gar nicht ausdenken konnte. Genau das macht mir an dieser Figur am meisten Spaß, dass Linda so unangepasste Sachen sagt wie zum Beispiel „Ein Joke tut dem Toten nicht mehr weh.“ und seine 10er-Sammelkarte einsteckt für den zehnten Burger umsonst. Und dass sie damit ihre Mitmenschen merkwürdig berührt zurücklässt. (lacht)
Der erste Film des neuen Tatort-Teams heißt „Neugeboren“. Um was geht es in diesem ungewöhnlichen Fall?
In einem Bremer Krankenhaus wird ein neugeborenes Baby entführt und fast zeitgleich auf einem verlassenen Industriebau ein junger Mann tot aufgefunden. Erst im Verlauf des Falles klären sich die Zusammenhänge. Spannend ist auch, dass dieser Fall in einem sozialen Brennpunkt spielt. Die Menschen dort haben finanzielle Sorgen, es geht um falsche Entscheidungen, um Drogen, Lügen, Eifersucht und geplatzte Träume.

Sie verkörpern vorwiegend starke selbstbewusste Frauenfiguren. Ist Emanzipation für Sie auch privat ein Thema?
Ich glaube, dass für jede Frau die Gleichberechtigung der Geschlechter früher oder später ein Thema ist. Und auch für jeden Mann. Es gibt weltweit immer noch viel Benachteiligung von Frauen – Frauen dürfen teilweise nicht wählen oder kein Auto fahren. Aber auch hier sind wir weit entfernt von wirklicher Gleichberechtigung: Allein, dass Frauen und Männer für die gleiche Arbeit noch immer nicht gleich bezahlt werden. Das finde ich skandalös. Das ist nur ein Aspekt von vielen. Was geschichtlich bedingt ist und Zeit braucht. Wir sind an einem Punkt angelangt – nicht zuletzt durch die MeToo-Bewegung –, an dem sich viel zu verändern anfängt. Aber der ganze Weg ist, weiß Gott, noch nicht gegangen.