Matthias Reim, Ihre sieben Kinder sind zwischen zwei und 49 Jahren alt. Kennen die den Film „Easy Rider“ aus dem Jahr 1969 noch?
Nein. Als sie meinen Song „Easy Rider“ hörten, haben mich meine Kinder gefragt, was das denn sein soll. Die kennen weder den Film mit Peter Fonda noch den Song „Born To Be Wild“ von Steppenwolf, der in dem Film eine wichtige Rolle spielt. Sie können auch das Gefühl dieses kindischen Heldentums auch nicht nachvollziehen, das die Menschen meiner Generation haben, wenn sie sich auf ein Motorrad setzen.
Sie lieben das Motorradfahren. Was passiert mit Ihnen, wenn Sie auf ihrer Maschine los düsen?
Ich schalte ab. Ich denke nicht an das nächste Konzert, die nächste Song-Produktion. Auf der Maschine gibt es nur mich, den Fahrtwind und die Freude, jetzt gerade genau hier zu sein und dieses herrliche Geräusch des Motors zu hören. Das ist einfach geil. Mit dem Auto fährst du von A nach B, auf dem Motorrad aber ist der Weg das Ziel.
Sie leben in Stockach am Bodensee. Wo fahren Sie dort am liebsten?
Manchmal am See selbst, aber sehr gern auch durch die kleinen Serpentinen hinter Überlingen. Auf diesen kleinen Landsträßchen komme ich total runter, da fühle ich mich wie ein Kind.
Sie sind vor zwei Jahren noch mal Vater geworden. Haben Sie denn überhaupt Zeit für solche Männervergnügungen wie Motorradfahren?
Die Zeit nehme ich mir, dass muss einfach sein. Genau so sehr liebe ich es, mit meinem Boot auf dem Bodensee herum zu schippern. Aber ich bin auch wahnsinnig gerne Papi. Meine Tochter Zoe ist ein unfassbarer Glücksfall. Ich habe noch nie so viel von einem meiner Kinder mitbekommen wie von ihr. Ich habe richtig Bock drauf, Zeit mit der Kleinen zu verbringen.
Das Lied „Radio“ auf Ihrem neuen Album handelt vom Tod Ihres Vaters, der vergangenes Jahr mit 94 Jahren verstorben ist. War es etwas Besonderes, dieses Stück zu schreiben?
Auf jeden Fall. Der Tod meines Vaters hat mich extrem beschäftigt. Natürlich weiß man, dass jemand, der fast 95 ist und abbaut, auch sterben kann, aber als es so weit war, hat es mich trotzdem umgehauen. Ich habe versucht, alle meine Gefühle von Traurigkeit, Dankbarkeit und Liebe in den Song zu packen. Bei der Arbeit an „Radio“ kamen mehr als 60 Jahre an Erinnerungen hoch.
Waren Sie sich ähnlich?
Ja und nein. Auch mein Vater hatte eine weiche Art, die er aber nur bei mir zeigte, in seinem Beruf als Oberstudiendirektor ging das natürlich nicht. Auch sein Spieltrieb war legendär. Die Liebe zum Wasser und zu Booten habe ich von ihm. Mit keinem anderen Menschen war ich so gerne auf dem See unterwegs wie mit ihm. Wir sind gern zusammen auf Entdeckungstour gegangen, wie die kleinen Kinder.
Ihren eigenen Körper nehmen Sie ordentlich ran. Wie wichtig ist der Sport für Sie?
Der Sport gehört zu meinem Tagesablauf wie Frühstück und Abendessen. Ich mache mindestens jeden zweiten Tag Krafttraining und schwimme fast jeden Tag, seit ich vor sechs, sieben Jahren eine Herzmuskelentzündung hatte. Kürzlich sagte der Kardiologe zu mir: „Du bist nicht mehr krank.“ Ich will unbedingt fit bleiben und noch lange leben. Ich möchte meinen Kindern noch mindestens 30 Jahre erhalten bleiben, aber natürlich gibt es keine Garantie, es kann auch morgen alles vorbei sein.
Wenn Sie Gene Ihres Vaters haben, steht Ihnen ein langes Leben bevor.
Meine Oma, seine Mutter, wurde – mit klarstem Kopf bis zum Schluss – sogar 106. Obwohl meine Großeltern sehr gerne geraucht und Bier getrunken haben. Dort gab es noch lecker Schweinebraten, Soße und Kartoffeln, als Kind habe ich das geliebt, es war einfach schön.
Ihre aktuelle Single heißt „Das Gute von morgen“ und handelt davon, die heutigen Zeiten nicht zu beklagen, sondern zu gestalten und zu genießen.
Das, was wir heute säen, ernten wir morgen. Und die Vergangenheit betrachten wir durch den Filter der Nostalgie. Heute sagen wir: Ach, wie sorglos waren die 80er-Jahre. Nee, waren sie nicht. Wir hatten Aufrüstung, Kalten Krieg, Waldsterben, Tschernobyl.

Sind Sie trotz allem ein Optimist?
Ich sage immer „Die Welt ist aus den Fugen, aber untergehen wird sie nicht.“ Als ich das erste Mal in den USA war, hieß der Präsident Bill Clinton, und das größte Problem war, dass er sich von seiner Praktikantin sexuell bedienen lassen hat. So what! Heute will wieder dieser vorbestrafte Sprücheklopfer an die Macht, aber selbst eine zweite Amtszeit von Donald Trump würden wir überleben.
Wobei ich sagen muss, dass die Zeiten lange vorbei sind, wo ich Politiker noch bewundert habe. Vor einem Helmut Schmidt oder einem Genscher habe ich wirklich den Hut gezogen. Heute verdrehe ich nur noch die Augen und denke: Was um Himmels Willen macht ihr da eigentlich?
Wäre Bundeskanzler kein Job für Sie?
Ich bin aktuell voll ausgelastet. Aber wenn ich so darüber nachdenke, wäre ich bestimmt auch ein tierisch guter Kanzler. (lacht)