Torsten Schöll

Als das Jagdschiff der kaiserlichen Flotte die Segel setzt und den Hafen in Windeseile verlässt, bleibt das am anderen Ufer nicht unbemerkt. Der Kai liegt kaum hinter dem schlanken Schiff, pfeift auch schon eine 25 Pfund schwere Kanonenkugel der schwedischen Uferbatterie über das Wasser.

Die Durchschlagskraft der Eisenkugel ist immens. Sie zerschlägt zuerst ein Ruder, dann zerschmettert das Geschoss das Bein des Steuermanns. Es ist anzunehmen, dass die Schweden ihren Volltreffer lautstark feiern. Doch die Freude der Kanoniere dürfte nur kurz gewährt haben. Das mit zwei Geschützen bewaffnete Schiff ist zwar getroffen, aber es sinkt nicht und kann auf der weiten Wasserfläche entkommen.

Gefechte auf dem Wasser

Wir schreiben das Jahr 1633. Der Dreißigjährige Krieg wütet seit mehr als 15 Jahren. Die Gefechte auf dem Wasser, die hier beschrieben werden, finden aber nicht etwa auf einem der sieben Weltmeere statt, sondern auf dem Bodensee.

Der Seekrieg wird mit großer Härte geführt, seit das schwedische Heer am 8. September mit einem Überraschungsmanöver von Süden direkt vor den Mauern von Konstanz aufgetaucht war. Die belagerte Feste, um die hier so erbittert zwischen den protestantischen Schweden und den katholischen Truppen des Kaisers gekämpft wird, ist die Bischofsstadt Konstanz.

Der Bischof von Konstanz hatte sich mit einem Schiff aus dem Staub gemacht. Er konnte zwar Leib und Leben retten, doch verlor er auf der Flucht das Kirchenarchiv und – schlimmer noch – den Kirchenschatz des Münsters.

Beides sollte auf zwei schwer beladenen Lädinen (Lastkähne mit Segel und Ruderern) nach Lindau verfrachtet werden. Doch die Schweden kaperten die Transportschiffe kurzerhand.

Schwedischer Vorstoß nach Süden

Dass es auf dem Bodensee zu Kriegshandlungen kommen würde, zeichnete sich schon ein Jahr zuvor ab. Damals hatte das mit den protestantischen Württembergern verbündete schwedische Heer unter Führung von König Gustav Adolf II. Süddeutschland erreicht.

Die katholische Liga hatte am 15. April 1632 am Lech eine verheerende Niederlage erlitten, bei der auch Johann T'Serclaes von Tilly, der Oberbefehlshaber der kaiserlichen Truppen, gefallen war. Aber auch die Schweden verloren ihr Oberhaupt. Gustav Adolf fiel in der Schlacht von Lützen im November 1632 im Kampf gegen das Heer Albrecht von Wallensteins.

Des toten Königs Generäle führten den "teutschen Krieg" für ihn weiter. Nun galt es für die Schweden, zum einen die Stellung in Süddeutschland zu halten und das verbündete Württemberg zu schützen. Zum anderen musste man sich gegen starke spanische Truppen wappnen, die aus Italien über die Alpen nach Norden marschierten. Für beides waren die in kaiserlicher Hand befindlichen Städte am See unerlässlich, die Bischofsstadt Konstanz fortan ein begehrtes Ziel.

Reiterheer überquert den Fluss bei Stein am Rhein

Zuerst aber mussten die Angreifer dazu die Oberhoheit über den See gewinnen. „Da von Land her die am Bodensee liegenden Städte schnell eingeschlossen waren, musste der Versorgungsweg über das Wasser abgeschnitten werden“, erklärt der Bregenzer Historiker und Spezialist für Militärgeschichte am Bodensee, Professor Erwin Fitz, die Strategie der Schweden.

Die Konstanzer, die sich 1633 vor allem durch die nahe württembergische Festung Hohentwiel und durch Angriffe vom See her bedroht fühlen, ziehen ihre Kräfte zur Rheinseite zusammen. Alles in der Gewissheit, dass in ihrem Rücken die neutrale Eidgenossenschaft liegt, von der keine Gefahr droht.

Doch weit gefehlt. Denn der Belagerung von Konstanz unter dem schwedischen Generalfeldmarschall Gustav Horn geht ein bis dahin unerhörter Vorgang voraus: Während das Fußvolk der Protestanten über den Bodanrück auf Konstanz zumarschiert, überquert bei Stein am Rhein ein Reiterheer mit 3.000 Mann den Fluss und betritt neutrales Zürcher Territorium.

Verwirrung in der Schweiz

Die Soldaten ziehen ungehindert am Bodenseeufer entlang gen Konstanz. Es ist ein Bubenstück, dass nicht nur die Konzilstadt in ihrer Existenz bedroht, sondern auch die Eidgenossenschaft fast zerreißt.

Dort wird ein ungeheuerlicher Verdacht laut: Die Eidgenossen sind zwar neutral, aber eben auch in Protestanten und Katholiken gespalten. Waren das protestantische Zürich und Schaffhausen in Horns Coup eingeweiht? Sind die Schweden gar mit ihrer Unterstützung vorgerückt? Es fehlt nicht viel, und unter den Eidgenossen bricht ein Bürgerkrieg aus.

Unterdessen bombardieren die Schweden vor dem Kreuzlinger Tor ab dem 13. September tagelang die Konstanzer Festungsanlagen. Allein am 16. September gehen 300 Kugeln nieder, heißt es in den Quellen.

Horn fordert Konstanz auf zu kapitulieren: Er will die Stadt des Konzils „als ein führnehmes Kleinoth des Römischen Reichs lieber conserviert, als verderbt wissen“, lässt er den Verteidigern ausrichten. Der Rat der Stadt lehnt ab und das, obwohl man sich der kaiserlich-österreichischen Sache gar nicht mit Leib und Seele verbunden fühlt. In Konstanz gab es seit jeher Stimmen, die einer Angliederung an die protestantische Eidgenossenschaft das Wort redeten.

Allianz der See-Städte steht

Doch so übermächtig die angreifende Streitmacht mit mittlerweile über 10.000 Mann auch sein mag – so lange die Seehoheit bei den Kaiserlichen liegt, ist der Stadt nicht beizukommen.

Die sogenannte See-Allianz der katholischen Städte am Bodenseeufer kann von Überlingen, Meersburg, Bregenz und Lindau aus über Wasser Konstanz nicht nur mit Lebensmitteln und Waffen versorgen, sondern auch mit Verstärkung.

Allein am 24 September erreichen zwölf Schiffe der kaiserlichen Flottille mit 500 Mann Konstanz. Obwohl die erfahrenen schwedischen Seefahrer, die von Buchhorn (heute: Friedrichshafen) aus operieren, über die größeren Kriegsschiffe verfügten, können sie die zahlenmäßig überlege kaiserliche Flotte mit ihren zahlreichen schnellen Schiffen nicht in Schach halten.

Schwer lädierte Stadt

Das Ergebnis dieses ersten Seekriegs im Dreißigjährigen Krieg auf dem Bodensee: Am 1. Oktober, nach dem finalen Sturmangriff durch die Truppen Horns, liegen über tausend tote Schweden und Württemberger in den Gräben vor den Stadtmauern von Konstanz.

Die österreichischen Soldaten plündern die Leichen „biß auff das Hemd“. Horn muss, auch weil die Spanier nicht mehr weit sind, seine Belagerung abbrechen. „Für die Niederlage war die Versorgung der Stadt über den See ausschlaggebend“, so Fitz.

Zurück lässt der schwedische Heerführer eine in doppelter Hinsicht schwer lädierte Stadt. Denn neben den massiven Zerstörungen muss mancher Konstanzer rund 100 Jahre nach der zwangsweisen Rekatholisierung auch den (heimlichen) alten Traum, Eidgenosse zu werden, begraben. Die katholischen Kräfte haben in und außerhalb der Stadt obsiegt.

Eine Kapelle wird gebaut

1637 errichten Jesuiten gemeinsam mit dem Konstanzer Bischof zum Dank eine Lorettokapelle vor den Toren der Stadt, die noch heute existiert. Denn der Sieg über die „Falschgläubigen“, so die nachträgliche Interpretation, sei ein Geschenk des Himmels gewesen.

Dort nämlich hatten sich schon vor den Anmarsch der Schweden seltsame Sterne und nie gesehene Vogelschwärme gezeigt, ist einer handschriftlichen Chronik aus dem Generallandesarchiv in Karlsruhe zu entnehmen, die das Unheil warnend angekündigt hatten. Dergestalt himmlisch vorbereitet, konnten die Konstanzer und ihre katholischen Verbündeten den Seekrieg auf dem Schwäbischen Meer letztendlich wohl nur gewinnen.

Die Mainau: Zweimal schwedisch

Ursprünglich gehörte die Insel Mainau den Deutschordensrittern, die im Hochmittelalter die Burganlage ausbauten.

  • Dreißigjähriger Krieg: Der 1618 mit dem Prager Fenstersturz vor 400 Jahren begonnene Konflikt führte zum Krieg zwischen zwei Parteien: Der katholischen Liga, in der Bayern und Habsburg-Österreich mit dem Kaiser den Ton angaben, und der protestantischen Union. Diese geriet in den 1620er-Jahren in Bedrängnis, so dass sich Schwedenkönig Gustav Adolf II. (1594-1632) entschloss, auf protestantischer Seite einzugreifen. Er landete 1630 in Pommern und brachte in einem Siegeslauf Mittel- und Süddeutschland unter Kontrolle. Sogar in München zog er ein. Als der Krieg schon im Abflauen war, gelangen den Schweden nochmals Erfolge und sie sicherten sich 1647 die Mainau. Nach dem Westfälischen Frieden 1648/49 zogen die Schweden ab, plünderten aber die Insel. Nur das Schwedenkreuz am Seeufer soll ihnen zu schwer gewesen sein, um es mitzunehmen.
  • Zweite schwedische Ära: 1806 fiel der Deutsche Orden der Säkularisierung (im Grunde eine Verstaatlichung durch völlige Enteignung von geistlichem Besitz) zum Opfer, und die Insel kam an das Haus Baden. Nach einigen Besitzerwechseln wurde 1853 Großherzog Friedrich I. von Baden neuer Insel-Herr. Er war der Urgroßvater des bekannten Mainau-Grafen Lennart Bernadotte (1909-2004). Nachfolger Friedrich II. Er vermachte die Insel seiner Schwester Viktoria, Königin von Schweden, womit die Mainau 1928 Eigentum des schwedischen Königshauses wurde. 1932 wurde die Verwaltung Lennart Bernadotte übertragen. (mic)