Georg Gänswein wurde über Nacht berühmt. Vor dem 19. April 2005 kannten ihn nur Freiburger Seminaristen und die Mitarbeiter im Ordinariat. Nach diesem Tag im April trat er ins Rampenlicht, mit dem er sich schnell vertraut machte. An diesem 19. April wurde Joseph Ratzinger zum Papst gewählt. Monsignore Gänswein blieb sein Privatsekretär. Ein Amt, das sich bescheiden anhört wie so manche Position in der katholischen Kirche. Der Inhaber wusste es mit Einfluss zu füllen. Er rückte zur Grauen Eminenz auf, zum Vertrauten des Bayern Ratzinger. Kein Mensch dürfte den emeritierten Papst besser kennen. Gänswein hat das Amt des Papstsekretärs neu geformt. Sein sicheres Auftreten und gewinnendes Äußeres taten ein Übriges.

Im Hintergrund

Seitdem ist es deutlich ruhiger geworden um den Kurien-Erzbischof. Mit dem frühzeitig und freiwilligen Rücktritt des Papstes (2013) rückte Georg Gänswein sichtbar in den Hintergrund. Nach wie vor dient er dem alten Papst als Sekretär. Er regelt den Zugang und beantwortet die noch immer vielen Anfragen, die den mittlerweile 92 Jahre alten Bayern erreichen.

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Dessen akademische Schüler oder Trachtengruppen aus aus dem Freistaat reisen noch immer gerne an, um den Landsmann zu sprechen. Doch ist es ruhiger geworden. Sein Chef und väterlicher Freund bereite sich auf den Tod vor, sagte Gänswein vor einigen Wochen.

Franziskus ist ihm eher fremd

Sein Verhältnis zum amtierenden Papst ist vielschichtig. Franziskus kommt nicht nur aus einem sehr fernen Land; die herbe Volkstheologie und die spontanen Einfälle von Franziskus sind nicht Gänsweins Sache. Theologisch verbindet ihn nicht viel mit dem argentinischen Papst. Gänswein steht den Papstkritikern wie dem bayrischen Kardinal Ludwig Gebhard Müller viel näher. Auch für den Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst setzte er sich ein, was in Deutschland Kopfschütteln sorgte.

Überhaupt Deutschland. Georg Gänswein ist Liebling des Boulevard, das noch immer die Schlagzeile vom „George Clooney des Vatikan„ pflegt. Doch in vielen deutschen Bistümern winkt man ab, wenn die Rede auf den Privatsekretär kommt. Die meisten sehen seine Zukunft in Rom, nicht in Deutschland. Das gilt auch für seine badische Heimat. Dort schätzt man ihn als Prediger. Als zukünftigen Erzbischof aber war er nie im Gespräch. Zu sehr wird er als Römer wahrgenommen, der für die deutschen Katholiken eher kritische als hilfreiche Worte hat.

Auch Michael Schumacher hat er besucht. Auf Wunsch von dessen Familie

Regelmäßig besucht er sein Heimatdorf Riedern am Wald im Südschwarzwald. Vor einigen Tagen sprach er beim gemeinsamen Jahresempfang von badischer Landeskirche und Erzbistum Freiburg. Er ist weiterhin präsent gerade in Deutschland, als Redner und Prediger. Vor zwei Jahren suchte er den verunglückten Rennfahrer Michael Schumacher auf. Das geschah auf Wunsch der Familie des ehemaligen Ferrari-Piloten. Es war ein seelsorgerlicher Besuch, über den Gänswein kein Wort nach außen verlauten ließ. Auch das ist eine Seite an ihm: der große Zuhörer und Menschenversteher. Als Theologe und Beichtvater weiß er, was ein Geheimnis ist.

Verlust an Einfluss

Doch in Rom führten mittlerweile andere das große Wort. Franziskus hat sich mit Leuten seines Vertrauens umgeben, die meisten spanischer Sprache und viele aus Lateinamerika. Georg Gänswein amtiert als Protokollchef des Argentiniers, nicht als dessen Intimus. Es ist ein hohes, vor allem aber repräsentatives Amt. Die spannenden Dossiers und Personalia der Kurie öffnen jetzt andere.

Zur Erholung besucht der Monsignore jährlich seine Heimat. Bild: Gudrun Deinzer
Zur Erholung besucht der Monsignore jährlich seine Heimat. Bild: Gudrun Deinzer | Bild: Deinzer, Gudrun

Im Herbst 2017 traf ihn ein gesundheitlicher Schlag: Der Geistliche erlitt einen schweren Hörsturz. Er klagte über Schwindel. Geblieben ist wohl der Hörverlust auf einem Ohr. In Interviews hat er recht offen darüber gesprochen. Seitdem wirkt er angespannter.

Karriere? Daran denkt er nicht, sagt er

Im Gespräch mit dieser Zeitung sagte er vor Jahren, dass er nicht an Karriere denke. Bisher seien alle Ämter und Posten an ihn herangetragen worden, er habe sich nie danach strecken müssen. Papst Benedikt hat er die Treue versprochen und dient ihm. Die beiden Männer wohnen in einem kleinen Kloster im Gelände der Vatikanischen Gärten. Bis zum Tod seines langjährigen Vorgesetzten wird es wohl so bleiben.