Frauke Rüth

Zum verabredeten Termin taucht sie nicht auf. Auch an ihrem Lieblingsplatz, einem Korb mit geschreddertem Büroaltpapier ist sie nicht. „So sind Katzen – unberechenbar“, erklärt Bärbel Göhner und zuckt ergeben mit den Schultern.

Sie ist die Kommunikationschefin des Brenners Park-Hotel in Baden-Baden und hat versucht, mein Date mit dem Stubentiger des Hauses einzufädeln. Doch Madame Kléopatre hat ihre eigenen Regeln.

Das ist der Eingang von Brenners Park Hotel & Spa. Hier steigen Leute ab, die Luxus und Komfort lieben.
Das ist der Eingang von Brenners Park Hotel & Spa. Hier steigen Leute ab, die Luxus und Komfort lieben. | Bild: Brenners Park Hotel / Blackwoodmedia

Ich wohne in der Kurstadt und bin schon seit einiger Zeit aus der Ferne eine Bewunderin des Tieres: Das erste Mal sah ich es, als es im Hotelpark herumstromerte. „Was für ein ausnehmend entzückendes Wesen“, dachte ich damals. Auf cremeweißen Pfoten stolzierte die große Katze am Zaun entlang, um sich dann vor den gepflegten Rabatten hingebungsvoll die Barthaare zu putzen.

Aus himmelblauen Augen

Etwas näher kam ich ihr, als ich an einem Sommerabend an der Fünf-Sterne-Herberge vorbeispazierte und sie nur wenige Meter von mir entfernt in deren Eingangsbereich unter dem Baldachinvordach saß. Aus himmelblauen Augen musterte sie mich eingehend und schien etwas zu wissen, das ich nicht wusste.

Zwei, die sich gut verstehen: Katze Kléo mit Autorin Frauke Rüth.
Zwei, die sich gut verstehen: Katze Kléo mit Autorin Frauke Rüth. | Bild: Steffen Rüth

Es war klar: Um mehr über sie zu erfahren, musste ich die Etikette einhalten und ihr offiziell meine Aufwartung machen. Deshalb also unterhalte ich mich an diesem Tag in der Kaminhalle bei leiser Klaviermusik mit Bärbel Göhner darüber, wie der Kätzin einst ein Kater das Herz brach und sie daraufhin im Brenners Zuflucht suchte.

Hier nächtigten viele Berühmtheiten

In dem Luxushotel steigen seit über 150 Jahren Menschen ab, die Wert auf eine elegante, stilvolle Umgebung legen. Darunter viele Berühmtheiten, Politiker, Adlige. Der englische König Eduard VII. nächtigte Ende des 19. Jahrhunderts hier, ebenso wie König Chulalongkorn von Siam oder der Industrielle Henry Ford.

Konrad Adenauer und Charles de Gaulle bereiteten 1962 den deutsch-französischen Freundschaftsvertrag vor, und als Barack Obama 2009 beim Nato-Gipfel Angela Merkel im Brenners traf, verwandelte sich alles im Umkreis des Hotels zur Hochsicherheitszone.

Alles fraglos wichtige Persönlichkeiten – doch 2017 erschien dann diejenige, die seither die ungekrönte Königin von Baden-Baden ist: Kléo, eine „Heilige Birma“. Choupette, das Kätzchen, das lange an Seite von Modedesigner Karl Lagerfeld lebte, gehört ebenfalls zu dieser Rasse.

Birmakatzen werden traditionell in Frankreich gezüchtet. Mit ihrem seidigen, hellen Fell fallen sie auf. Auch Kléo reiste einst aus der Grande Nation an, nachdem sie dort eine Weile im Partnerhotel des Brenners, dem Le Bristol in Paris, einquartiert war.

Mireille Mathieu war nicht so ganz bei der Sache

PR-Leiterin Bärbel Göhner erinnert sich: „Im Le Bristol residierte vor Kléopatre bereits Fa-Raon, ein Birmakater. Die Gäste waren ganz vernarrt in ihn.“

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Und hier folgt nun meine nächste, persönliche Anmerkung: Mein Mann, der gleichfalls Journalist ist, traf vor einigen Jahren Mireille Matthieu zum Interview im Le Bristol. Hinterher fragte ich ihn, wie das Gespräch mit der Sängerin verlaufen sei. Er sagte: „Gut, aber ich war ziemlich abgelenkt davon, dass sie die ganze Zeit einen prächtigen weißen Kater auf dem Schoß sitzen hatte und kraulte.“

Fa-Raon schien also zu wissen, wie man die Damenwelt in seinen Bann zieht — außer einem ganz bestimmten weiblichen Wesen. Denn mit Kléo funkte es wohl so gar nicht. Diskret belässt es Bärbel Göhner dabei, dass Fa-Raon „das arme Ding nicht akzeptiert hat“.

Luxusgeschöpf: Kléopatre lässt sich gern tragen. Die Tasche muss freilich edel sein.
Luxusgeschöpf: Kléopatre lässt sich gern tragen. Die Tasche muss freilich edel sein. | Bild: Brenners Park Hotel

Und so wurde beschlossen, dass die verschmähte Katze ins Badische ziehen solle. Bei ihrer Ankunft stellte sich das Personal des Brenners im Spalier auf, Kléo inspizierte die Räumlichkeiten, befand sie für standesgemäß und ließ sich nieder.

Seither ist sie der Liebling. Als sie sich in ihrer Anfangszeit in den weitläufigen Anlagen des Baden-Badener Kurparks verirrte, war die Aufregung groß. Doch zum Glück hatte es bereits die ersten Zeitungsberichte in der Lokalpresse über die Rassekatze gegeben.

An diese erinnerte man sich im Tierheim, in dem Kléo gelandet war. Der Concierge des Hotels ließ es sich daraufhin nicht nehmen, sie persönlich abzuholen und in einer Limousine wohlbehalten zurückzubringen.

Standesgemäß: Kléo mit dem Concierge in einer Limousine.
Standesgemäß: Kléo mit dem Concierge in einer Limousine. | Bild: Brenners Park Hotel

Kinder schreiben ihr Briefe

„Viele Gäste hoffen, Kléo während des Aufenthalts zu sehen und freuen sich, wenn sie sich zeigt“, schildert es Bärbel Göhner. „Kinder schreiben ihr Briefe, ein Stammgast wollte sogar zuerst von unserer Hauskatze – und dann vom Hoteldirektor begrüßt werden“, so die Pressesprecherin, die eine ausgewiesene Katzenliebhaberin ist.

Sie arbeitet ehrenamtlich mit den Tieren, und auch wenn Göhner mit strenger Miene sagt, dass die Mieze nichts in den Speiseräumen oder den Hotelzimmern zu suchen hat, wird klar, dass die Königin auch sie längst um die weiße Pfote gewickelt hat: „Mit Kléo ist das Haus komplett.“

Gute Freunde: Die Hotelkatze mit dem Concierge. Viele Gäste freuen sich auf sie.
Gute Freunde: Die Hotelkatze mit dem Concierge. Viele Gäste freuen sich auf sie. | Bild: Brenners Park Hotel

Wenn sie sich denn nur endlich auch mir zeigen würde. Die Suche geht weiter. Ich besichtige ihr Futterschälchen, das hinter der Rezeption steht — leer, nur noch die Worte „Bon Appetit“ sind darin zu lesen. War sie etwa in letzter Zeit hier? Auch der Alkoven, in dem Kléos Bett sich befindet, ist verlassen. Nun muss auch Bärbel Göhner weiter. Wir verabreden, einen weiteren Termin für ein Katzendate auszumachen.

Ich beschließe, mich noch ein bisschen in der Lobby umzuschauen und schlendere die kleine Luxusladenzeile entlang. Dort blicken mich zahlreiche Kléopatres an — aus Plüsch. „Immerhin, zumindest als Kuscheltier habe ich sie heute gesehen“, versuche ich, mich selbst aufzumuntern. Das klappt wohl doch nicht so exzellent, denn ein Mitarbeiter, der gerade an mir vorbeigeht, fragt besorgt, ob er mir helfen kann.

Noch schläfrig: Hotelmitarbeiter Maximilian Busch hat Kléo gesucht und gefunden.
Noch schläfrig: Hotelmitarbeiter Maximilian Busch hat Kléo gesucht und gefunden. | Bild: Frauke Rüth

Ich schildere ihm meine Misere, und er sagt: „Ich glaube, ich habe Kléo eben gesehen!“ Er verschwindet in einem der zahlreichen Gänge und kommt tatsächlich nur Minuten später mit der verschlafenen Katzendame auf dem Arm angerannt. Sie gähnt erst mal ausgiebig, lässt sich aber zu einem Interview herab, bei dem ich sie an mich drücken darf. Das Fell fühlt sich famos weich an und sie ist überraschend leicht.

Die Katze fährt auch Aufzug

Auch die Fotosession im Foyer läuft ordentlich. Kléo bewegt sich mit natürlicher Grazie und passt einfach hervorragend in das noble Ambiente mit seinen Ölgemälden und opulenten Blumengestecken. Doch plötzlich springt sie von einer mit rotem Samt bezogenen Truhe und stolziert zu den Aufzügen. Ihr ist wohl nach einem Wechsel der Szenerie. Ein Rezeptionsmitarbeiter eilt heran: „Sie will in die fünfte Etage“, weiß Maximilian Busch.

Bitte nach oben: Die Katze benutzt den Aufzug. Die Aussicht im fünften Stock gefällt.
Bitte nach oben: Die Katze benutzt den Aufzug. Die Aussicht im fünften Stock gefällt. | Bild: Brenners Park Hotel

Er drückt für sie auf den Knopf und wir steigen zu dritt ein. In Kléos Lieblingsstockwerk steht ein Fenster offen und man hat einen prächtigen Blick auf die Stadt. Ein paar Vögel zwitschern, die Katze guckt interessiert.

In dieser verschwiegenen Atmosphäre gesteht Maximilian Busch mir, dass Kléo ihnen ab und zu eine Maus als Liebesbeweis mitbringt, und die Beute daraufhin vom Personal unauffällig entfernt wird.

Vorsicht, sie hat genug!

Und dann lichtet der freundliche Herr Busch Kléo und mich noch ein paar Mal zusammen ab — bis das passiert, was mir Bärbel Göhner vorhin erzählt hat: Die Augen der Katze werden rot. „Sie hat genug und will sofort ihre Ruhe“, lautete die Erklärung des Phänomens.

Schnellstens lasse ich Kléopatre ziehen. Gemächlich schlendert sie den Flur entlang. Zum Abschied blickt sie mich lange an, schnurrt leise „Miau“. Nein, das habe ich mir leider nur ausgedacht. Selbstverständlich dreht sie sich nicht mehr um.