Liebe Marlene Engelhorn,
Sie haben diese Woche 25 Millionen Euro Ihres Vermögens verschenkt, und da frage ich mich: Vielleicht fällt auch was für mich ab? Doch Spaß beiseite, schließlich steckt hinter Ihrer Freigiebigkeit mehr als nur der Drang nach öffentlicher Aufmerksamkeit für Ihre Person. In den vergangenen Jahren sind Sie durch allerlei Sendungen und Gesprächsformate getingelt, um Ihr Vorhaben und den Sinn dahinter zu erklären. Und zu erzählen gibt es da einiges.
Sie sind eine Nachfahrin von Friedrich Engelhorn, dem Gründer der BASF mit Sitz in Ludwigshafen am Rhein, die zum heute größten Chemiekonzern der Welt angewachsen ist. Ihre Großmutter heiratete 1955 den Urenkel von Friedrich Engelhorn, der damals Mitgesellschafter des Pharmakonzerns Boehringer Mannheim war. Der Verkauf dieser Anteile brachte Ihrer Familie rund elf Milliarden Dollar ein, die durch eine Firmenkonstruktion auf den Bermudas völlig steuerfrei blieb. Einen Teil davon haben Sie schließlich von Ihrer Großmutter, der Milliardärin Traudl Engelhorn-Vechiatto, geerbt – ohne jemals einen Finger dafür gekrümmt zu haben.
Trotz Krise wächst das Vermögen der Reichen
Doch während die meisten anderen Millionenerben ihren Reichtum still und heimlich verwalten und vermehren, haben Sie die Sache an die große Glocke gehängt. Ihnen stößt nicht nur sauer auf, dass Ihnen dieses Geld qua Geburt einfach so in den Schoß gefallen ist, sondern auch die Begleitumstände, die Reichtum mit sich bringt.
Sie können an Ihrem eigenen Lebenslauf darlegen, was es heißt, abgeschottet von der übrigen Bevölkerung und deren Sorgen in privaten Kindergärten und Internatsschulen aufzuwachsen. Und Sie zeigen anhand Ihrer eigenen Vorfahren und Familienmitglieder, wie es den Reichsten der Welt gelingt, trotz aller Krisen immer mehr Vermögen und Macht anzuhäufen.

Als Sie, Frau Engelhorn, 2021 öffentlich gemacht haben, Ihr geerbtes Vermögen verschenken zu wollen, glaubten viele noch an eine leere Ankündigung. Doch nun haben Sie bewiesen: Das war ernst gemeint. Ein Rat aus 50 zufällig ausgewählten Bürgern hat über die Verwendung von 90 Prozent Ihres Vermögens entschieden.
Es geht an Organisationen aus den Bereichen Klima und Umwelt, Gesundheit, Soziales und Bildung – also genau dorthin, wo mehr Geld dringend gebraucht wird. Diese Entscheidungen wollten Sie ausdrücklich nicht selbst treffen, weil Sie das wieder in eine undemokratische Machtposition gehoben hätte. Auch das ein Privileg, das viele andere Reiche lieber nicht hergeben.
Den verbleibenden Rest Ihres Vermögens wollen Sie jetzt für den Übergang in Ihr Berufsleben nutzen. Während in Österreich und Deutschland in den kommenden Jahren Hunderte Milliarden Euro steuerfrei vererbt werden, wollen Sie nun ein gewöhnliches Leben führen.
Sorgen, so gaben Sie zu bedenken, müsse sich aber niemand machen. Eingebettet in eine reiche Familie und die dazugehörigen Netzwerke seien Sie weiterhin in einer komfortablen Situation. Ganz gerecht ist das zwar immer noch nicht, aber es sei Ihnen trotzdem gegönnt!