Sehr geehrter Prinz Andrew,

was geht eigentlich gerade in Ihnen vor? Erst versucht seit Wochen der Anwalt der US-Amerikanerin Virginia Giuffre, die Ihnen sexuellen Missbrauch vorwirft, ihnen die Zivilklage zuzustellen. Dann sollte mithilfe Ihrer Anwälte die Zustellung der Klage rechtlich verhindert werden. Sogar ein extra eingesetzter Bote scheiterte daran, das Dokument einem Parkwächter am königlichen „Windsor Great Park“ zu überreichen. Und als ein Polizist beim neuerlichen Besuch des Boten die Klage schließlich entgegen nimmt, behauptet ihr Anwalt, dass Sie nichts davon wüssten. Genutzt haben Ihnen am Ende all die juristische Trickserei und die gespielte Ahnungslosigkeit nichts. Die Klage ist offiziell bei Ihnen angekommen, wenn auch nicht in England, so doch bei ihrem Anwalt in Kalifornien.

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Bei all dem bleibt die Frage: Warum veranstalten Sie ein solch peinliches Katz-und-Maus-Spiel? Denken Sie, dass durch Ihre inszenierte Unerreichbarkeit und ihren Rückzug in die schottische Einöde auf Schloss Balmoral sich das Thema irgendwann in Luft auflösen wird?

Weglaufen können Sie nicht

Spätestens in der Schule macht doch jeder die Erfahrung, das Unangenehmes umso größer und erdrückender wird, je länger man versucht, es von sich fernzuhalten. Was auch immer 2001 auf den Anwesen von Jeffrey Epstein in London, New York und auf den Jungferninseln passiert ist und was auch immer Sie für ein Verhältnis zu Virginia Giuffre hatten – davor weglaufen können Sie nicht.

Prinz Andrew, 61, zweitälteste Sohn der Queen, muss sich wohl vor Gericht verantworten. Die US-Amerikanerin Virginia Giuffre, 38, gibt ...
Prinz Andrew, 61, zweitälteste Sohn der Queen, muss sich wohl vor Gericht verantworten. Die US-Amerikanerin Virginia Giuffre, 38, gibt an, im Alter von 17 Jahren von dem Sexualstraftäter Jeffrey Epstein an Prinz Andrew „ausgeliehen“ worden zu sein, und verlangt Schadenersatz. | Bild: dpa

Und da Sie all die Vorwürfe der heute 38-jährigen Amerikanerin konsequent von sich weisen, dürften sie in einem Gerichtsverfahren auch nichts zu befürchten haben. In diesem Fall ist doch Angriff die beste Verteidigung. Ein Mitglied der königlichen Familie sollte das wissen. Es dürfte Ihnen doch klar sein, dass Sie sich und ihrer Familie damit keinen Gefallen tun. Erst bringt ihr Neffe Harry und seine Frau Meghan mit ihrem groß in Szene gesetzten Umzug nach Kalifornien und gekonntem Nachtreten die royale Institution gehörig ins Schleudern, und jetzt sorgen Sie mit ihrem unkooperativen Verhalten gegenüber Behörden für erneutes Kopfschütteln anstatt Sympathiepunkte.

Denken Sie an ihre betagte Mutter

Ihr Verhalten erinnert schon eher an das eines Adeligen aus einer anderen Zeit, der offenbar davon überzeugt ist, sein Stand und sein blaues Blut bewahre ihn vor den Niederungen des Rechtsstaats. Ich kann Ihnen eines verraten: Dem ist nicht so. Stellen Sie sich besser dem Unvermeidlichen und akzeptieren sie die Realität. Zwar müssen Sie, wenn es zum Prozess kommen sollte, nicht persönlich in New York erscheinen, taktisch klug wäre es aber. Wenn Sie die juristischen Anstrengungen gegen Sie weiter ignorieren, schaden Sie am Ende nicht nur sich selbst, sondern der gesamten Institution Königshaus. Und das kann doch wirklich nicht in ihrem Interesse liegen? Denken sie bitte an Ihre betagte Mutter – schließlich scheint sie bis jetzt zu Ihnen zu halten. Also enttäuschen Sie sie nicht und stellen Sie sich ihrer Vergangenheit. Und wenn Sie‘s nicht für sich selber tun, dann wenigstens für die Königin von Großbritannien!