Bagdad – Gerade noch einmal gutgegangen: Nach dem Verzicht der USA auf neue Militärschläge gegen Teheran als Antwort auf die iranischen Raketenangriffe auf US-Stützpunkte im Irak atmet die Welt auf, weil ein neuer Krieg im Nahen Osten vorerst abgewendet ist. Doch weil die grundsätzlichen Differenzen zwischen Iranern und Amerikanern damit nicht beseitigt sind, könnte es bis zur nächsten Eskalationsspirale nur eine Frage der Zeit sein.
Satellitenaufnahmen des irakischen Luftwaffenstützpunktes Al-Asad, ein Ziel der iranischen Raketenangriffe in der Nacht zum Mittwoch, zeigen exakt getroffene Gebäude. Die iranischen Raketen wurden mit großer Präzision gelenkt – und offenbar mit der Absicht, keine US-Soldaten zu treffen, sagen Experten. In Al-Asad seien Schutzräume für militärisches Gerät und Lagerhäuser getroffen worden, schrieb Dara Massicot von der US-Denkfabrik Rand. Die Iraner hätten nicht wie mit einer Schrotflinte wahllos auf den Stützpunkt geballert, sondern gezielt versucht, die „militärischen Kapazitäten“ der Basis zu treffen.
Offenbar wussten die amerikanische und die irakische Regierung mehrere Stunden vor dem Einschlag der ersten Rakete über die geplanten iranischen Angriffe Bescheid und konnten ihre Soldaten auf den betroffenen Stützpunkten in Sicherheit bringen. Trotz dieser langen Vorwarnzeit wurden die Raketen nicht abgefangen.
Daraus ergeben sich zwei Schlussfolgerungen. Erstens ging es Teheran tatsächlich um eine Deeskalation: Soldaten sollten nicht getötet werden. Und zweitens kann der Iran die Amerikaner sehr empfindlich treffen, wenn er das will. Schließlich konnten die Raketen von den US-Militärs nicht in der Luft zerstört werden. Amerika habe nichts gegen die iranischen Geschosse tun können, erklärten die Revolutionsgarden. Der Iran habe US-Abwehrsysteme mit Cyber-Attacken außer Gefecht gesetzt. Die rund 5000 US-Soldaten im Irak und US-Stützpunkte in der Golf-Region bleiben bis auf weiteres in der Reichweite der iranischen Raketen.
Erste Drohungen gibt es bereits. Der iranische Präsident Hassan Ruhani sagte mit Blick auf den Tod von Generalmajor Kassem Soleimani bei einem US-Drohnenangriff, Amerika solle keinen weiteren „Fehler“ begehen. Andernfalls würden die USA mit einer „sehr gefährlichen Antwort“ aus dem Iran konfrontiert.