Herr Schwab, jahrelang haben weit über 100 Einzelverträge die Beziehungen zwischen der EU und der Schweiz geregelt. Warum soll nun ein Rahmenvertrag her?

Anfang der 90er Jahre war die Abstimmung über den Beitritt der Schweiz knapp gescheitert. Die EU hoffte, dass die Schweiz eines Tages noch beitreten wird. Daher wurden übergangsweise bilaterale Abkommen geschlossen. Zu Beginn des Jahrtausends folgten weitere Verträge, mit denen man zusätzliche Bereiche einschließen und offene Fragen ausräumen wollte.

Andreas Schwab (45) ist CDU-Abgeordneter für den Wahlkreis Südbaden im Europäischen Parlament und binnenmarktpolitischer Sprecher der ...
Andreas Schwab (45) ist CDU-Abgeordneter für den Wahlkreis Südbaden im Europäischen Parlament und binnenmarktpolitischer Sprecher der dortigen EVP-Fraktion. | Bild: Jutta Freudig

Aber vieles blieb ungeklärt. Vor allem deshalb, weil sich die Regeln der EU laufend verändern oder angepasst werden. Die Schweiz hat zwar eine dynamische Rechtsübernahme akzeptiert, aber nicht in allen Bereichen – es werden also nicht alle Änderungen übernommen. Das kann für Wettbewerber in Deutschland sehr schmerzhaft sein und deshalb muss ein horizontaler Ansatz her.

Was wäre denn, wenn die bilateralen Vertrage zwischen der Schweiz und der EU nicht geändert werden?

Viele sagen, die Schweiz hat kein Interesse daran, einen Rahmenvertrag zu schließen, weil sie so Rosinenpickerei betreiben kann. Das will die Europäische Union nicht länger zulassen. Dafür gibt es sogar ein Instrument, die sogenannte Guillotine-Klausel: Wenn sich die Schweiz nicht vollständig an ein Abkommen hält, können auch alle anderen Abkommen seitens der EU aufgekündigt werden.

Trotz einiger Ausnahmen muss die Schweiz einen Großteil der Regeln der EU anwenden. Diese Anbindung an die EU hat sie aber auch gewollt. Wenn sie das nicht mehr will, kann sie kündigen.

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Welche Folgen hätte das denn, wenn die Schweiz kündigen würde?

Dann wäre die Schweiz über kurz oder lang wirtschaftlich und wohl auch politisch in einer sehr schwierigen Situation. Deshalb wird sie das nicht machen. Aber wer mit der EU als Rechtsgemeinschaft zusammenarbeiten will, muss sich eben an bestimmte Regeln halten. Dadurch, dass der Europäische Gerichtshof in der Schweiz kein Recht sprechen kann, brauchen wir eine Alternative zur Streitbeilegung. Inzwischen gibt es deshalb die Überlegung, ein Schiedsgericht in den Rahmenvertag mitaufzunehmen.

Warum ist die Schweiz zurückhaltend?

Es gibt noch ein ungeklärtes Problem – die Regelung der Arbeitnehmerentsendung. Das ist allerdings eher ein innenpolitisches: Die Schweiz muss immer überlegen, wie Mehrheiten für eine mögliche Volksabstimmung entstehen. Die Schweizer Gewerkschaften wollen die volle Unabhängigkeit bei diesem Thema beibehalten, obgleich schon heute in der EU ähnliche Regeln gelten. Ich verstehe die Aufregung deshalb nicht so ganz.

Viel Zeit bleibt nicht, wenn der Vertrag vor den Europawahlen 2019 stehen soll. Lässt sich der Prozess beschleunigen?

Wenn wir das Paket zum Rahmenvertrag schnüren wollen, müssen wir aufs Gas treten. Die EU hat bereits Zugeständnisse gemacht. Die Entscheidung liegt bei der Schweiz: Will sie auch künftig eng mit der EU zusammenarbeiten oder nicht? Das Hickhack der vergangenen Jahre muss aufhören.