Die Firma Friedrich Storz aus Tuttlingen ist stattlich. Die Auftagsbücher sind gut gefüllt, weil überall Wege und Straßen neu gebaut oder saniert werden. Die 700 Mitarbeiter bei Storz beschäftigen sich mit Verkehrswegebau, Tendenz steigend. Händeringend sucht der Tuttlinger Betreiber nach Fachkräften und tüchtigem Nachwuchs. Umso ärgerlicher ist es, wenn Lehrlinge von einem Tag auf den anderen zu Hause bleiben – nicht, weil sie faul wären, sondern weil sie die Abschiebung fürchten und nicht mehr erscheinen. Weder am Arbeitsplatz auf der Baustelle noch in der Berufsschule.

Herbert Aggeler bedauert das. Er ist Ausbildungsleiter bei Storz und mehr als das: Er begleitet das Alltagsleben der jungen Männer aus Kamerun und Gambia, kennt ihre Lebensläufe und ersten beruflichen Gehversuche. Aggeler betreibt also praktische Integration, um die Firma voranzubringen. „Wir haben einen Mangel an Fachkräften“, beschreibt er die Lage. Die jungen Afrikaner wurden zum Ausbildungsjahr im Herbst 2016 und 2017 eingestellt, die Erfahrungen sind rundum gut. Aggeler bezeichnet seine jungen Mitarbeiter als fleißig und lernwillig, als gut vernetzt.

Bis hierhin ist es eine Geschichte, die man gerne schreibt – die einer gelingenden Integration. Doch nun droht ihnen die Abschiebung aus einem einfachen Grund: Ihre Heimat ist definitiv kein Kriegsgebiet. Sie halten lediglich eine Duldung in Händen, sind also nicht anerkannte Asylbewerber mit Bleiberecht.

Regelung mit Haken: Drei-plus-zwei zählt nicht

Als die Firma Storz die Ausbildungsverträge aufsetzte und unterschreiben ließ, ging sie von anderen Voraussetzungen aus: Sie vertraute dem „Drei-plus-zwei-System“, wonach Menschen mit Duldungsstatus während der Ausbildung (drei Jahre) und den folgenden zwei Jahren nicht abschoben werden dürfen. Die Regelung hat nur einen winzigen Haken: Die Betroffenen müssen ihre Papiere vorlegen, damit das „Drei plus zwei“ greifen kann. Alle drei Betroffenen haben ihre Dokumente verloren, sagen sie. Aggeler glaubt ihnen. Die Fluchtgeschichten klingen plausibel. Am Mittelmeer gingen die Pässe verloren.

Weil ihre Lage so unsicher ist, erscheinen die drei nicht mehr am Arbeitsplatz. Ihr Arbeitgeber hat ihnen empfohlen, trotz drohender Abschiebung dennoch auf die Baustelle zu kommen. Sein Argument: Dann habe ihr Arbeitgeber Chancen, etwas abzuwenden und ein Wort für sie einzulegen. Es half nichts. Die Männer aus Gambia und Kamerun, die sich sonst sehr gut eingefügt haben in die Sitten des Wegebauers, sind weg.

Die Tuttlinger Firma bedauert das. Alle drei werden als ehrgeizig geschildert. Auch mit der Sprache kamen sie gut voran. Im Betrieb sind sie anerkannt, unter den Lehrlingen beliebt. Vor allem brauchte man sie dringend. Denn in Baden-Württemberg wird in diesen Jahren gebaut wie selten zuvor. Und Storz hat Aufträge auf großen Baustellen. Eine liegt bei Immendingen: Die Fahrwege auf dem geplanten Daimler-Testgelände werden von Storz trassiert und gebaut.

Ähnliche Erfahrungen macht der Sportartikel-Hersteller Vaude, der in Obereisenbach bei Tettnang sitzt. Vaude engagierte sich stark für Migranten und stellte 12 ein. Sieben davon sind inzwischen von der Abschiebung bedroht, fünf genießen einen sicheren Status. Der oberschwäbische Betrieb zieht bereits erste Konsequenzen: Er stellt nur noch Bewerber ein, die man ihm nicht nehmen kann.

Storz oder Vaude bilden nur die Spitze des Eisbergs. 60 Firmen aus dem ganzen Land klagen, dass man ihnen arbeitende Flüchtlinge wegnimmt. Und alle machen eine ähnliche Erfahrung: Arbeit allein gibt keine Sicherheit für das Aufenthaltsrecht. Es rächt sich, dass Deutschland kein Einwanderungsgesetz hat, das es Menschen erlaubt, aus freien Stücken und ohne Fluchtgründe in die Bundesrepublik zu ziehen und hier zu bleiben. Für die Firmen ist es bitter, weil sie sich als Integrationszentren bewähren könnten und weil sie die Leute brauchen. Außerdem investieren sie bereits kräftig in diese Mitarbeiter, bevor ihnen die Abschiebung einen Strich durch die Rechnung macht.

Der Job reicht nicht

Warum können Flüchtlinge, die eine Arbeit verrichten und Abgaben bezahlen, nicht in Deutschland bleiben? Das deutsche Recht trennt scharf zwischen Asyl und Arbeit. Der Grundsatz dabei: Asylverfahren sollen keine Hintertür für Arbeitsmigration bilden. Wer also eine Ausbildung durchläuft und auch sonst gute Ansätze zur Integration zeigt, erwirbt damit kein Bleiberecht. Asylgründe sind Krieg oder politische Verfolgung, nicht die Integration in den Arbeitsmarkt. (sk)