Es gibt Termine, die man angesichts ihrer Fragwürdigkeit vielleicht besser streichen sollte. Dazu gehören einige Auftritte der Parteien beim politischen Aschermittwoch im Allgemeinen und der Aschermittwoch der CDU Mecklenburg-Vorpommern in Demmin im Speziellen. Jahrelang trotzte dort Kanzlerin Angela Merkel im Tennis- und Squash-Center dem unausrottbaren Schweißgeruch.

Gestern war ihre Nachfolgerin im Amt der CDU-Vorsitzenden an der Reihe.

Der Auftritt von Annegret Kramp-Karrenbauer war angesichts ihrer heftig kritisierten Bemerkungen über Intersexuelle vorbelastet. Eine Entschuldigung gab es nicht. „Putzfrau Gretel“ ging voll in die Offensive.

Die Parteivorsitzende wirkte zunächst etwas unsicher und kam nur schwer in Fluss. Eine Bemerkung über die „Bierdusche von Demmin“ 2012 auf die Kanzlerin versandete fast ohne Lacher.

Da gab es schon mehr Beifall für die Bemerkung Kramp-Karrenbauers, sie solle „ganz herzliche Grüße von Angela ausrichten“. Merkel habe ihr nach der Wahl zur Pateivorsitzenden das Versprechen abgenommen, nach Demmin zu fahren, erklärte die neue CDU-Vorsitzende.

AKK: "Echt stürmische Karnevalszeit" 

Danach hörte Kramp-Karrenbauer auf, „um den heißen Brei herumzureden“, wie sie es ausdrückte. Es habe eine „echt stürmische Karnevalszeit“ gegeben. Dies nicht nur wegen des Wetters, „sondern auch wegen der Debatte über den ein oder anderen Witz“.

Wobei sofort klar war, dass die CDU-Chefin, die in Demmin übrigens nicht verkleidet auftrat, ihre eigenen Bemerkungen meinte. Von einer Entschuldigung war Kramp-Karrenbauer allerdings so weit entfernt wie das Saarland von Mecklenburg-Vorpommern, nämlich sehr weit.

Wie AKK über ihren Auftritt in Stockach denkt 

Über ihren Auftritt beim Stockacher Narrengericht sei „ja einiges gesagt worden“, begann Kramp-Karrenbauer ihre Verteidigungsrede, um dann „all denjenigen, die die ganze Fastnacht damit verbracht haben, darüber zu diskutieren und sich zu beklagen“, zu empfehlen, sich doch lieber mal die ganze Veranstaltung anzuschauen.

Das könnte Sie auch interessieren

Sie sei nämlich vom Narrengericht „der Entmannung der CDU“ angeklagt gewesen, versuchte Kramp-Karrenbauer zu erklären. Und das habe sie aufgegriffen, es sei in ihrem Beitrag um „Emanzen und Machos“, um „das Verhältnis von Männern und Frauen“ gegangen. „Manchmal muss man auch mal genau hinschauen, bevor man sich über etwas aufregt“, versuchte sich die CDU-Chefin als Unschuldslamm, um dann das ganz große Fass aufzumachen.

„Wir sind das verkrampfteste Volk"

„Wenn wir so weitermachen“, erklärte die Parteivorsitzende, „dann laufen wir Gefahr, etwas ganz Wunderbares in unserem Land kaputt zu machen.“ Das sei die Tradition von Karneval und Fastnacht, dieses Stück Kultur dürfe sich Deutschland nicht kaputt machen lassen, empörte sich Kramp-Karrenbauer und spitzte zu: „Heute habe ich das Gefühl, wir sind das verkrampfteste Volk, das überhaupt hier irgendwo auf der Welt rumläuft. Das kann doch so nicht weitergehen.“

Mit Kramp-Karrenbauer ging es weiter, sie pries die CDU als Partei an, in der „jeder nach seiner Fasson“ glücklich werden solle. Glück definierte sie so: Die CDU freue sich über die, die an Silvester ballern würden, beklage sich aber nicht über Feinstaub. Die CDU toleriere Veganer und Vegetarier, mache aber aus Fleischessern „nicht die größten Verbrecher, die wir in diesem Land haben“.

Drei Monate vor der Europawahl am 26. Mai und den gleichzeitig stattfindenden Kommunalwahlen in Mecklenburg-Vorpommern ging Kramp-Karrenbauer dann auch noch auf die Bundes- und Europapolitik ein. Die Zuschauer im Saal erfuhren dabei aber nichts Neues. Themen wie der Schutz der Außengrenzen, die Vermeidung von Diesel-Fahrverboten und die Grundrente spulte die Vorsitzende routiniert herunter. Hängen blieb am Ende vor allem die Verteidigung ihrer umstrittenen Äußerungen. Zu den Klängen der „Barther Blasmusik“ und der „Black Tigers“ wurde darüber in Demmin noch viel diskutiert.

Woher kommt der Aschermittwoch?

  • Der politische Aschermittwoch wurde in Niederbayern geboren und wird in diesem Jahr 100 Jahre alt. Viele verbinden ihn mit Franz Josef Strauß. Kein Wunder, schließlich trat der CSU-Übervater zwischen 1953 bis zu seinem Tod 1988 insgesamt 35-mal als Redner auf.
  • Die Geburtsstunde war nicht in Passau, wo die CSU regelmäßig zu Gast ist, sondern im niederbayerischen Vilshofen. Bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts hatten sich dort an diesem Tag die Bauern zum Viehmarkt getroffen. Dabei feilschten sie nicht nur um Tierpreise, sondern nahmen beim Bier auch die königlich-bayerische Regierung ins Visier. 1919 lud der bayerische Bauernbund anlässlich des Viehmarkts dann erstmals zu einer Kundgebung – das Politspektakel war geboren.
  • Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der politische Aschermittwoch von der Bayernpartei wiederbelebt, die ihre Veranstaltung zu deftigen Angriffen auf die CSU nutzte. Die Christsozialen stiegen wenig später in die Tradition ein. Am 18. Februar 1953 lud die CSU zu ihrer ersten Aschermittwochs-Kundgebung nach Vilshofen. (dpa)