600 Krankenhäuser soll es zukünftig nur noch geben. Statt bisher 1.400. So will es eine Studie der Bertelsmann-Stiftung, die für großes Echo gesorgt hat. Kleinere Krankenhäuser auf dem Land fielen weg, dafür würden sogenannte Versorgungskrankenhäuser mit etwa 600 und Maximalversorger mit 1.300 Betten entstehen. Zudem sollen Unikliniken Geräte und Know-How für spezielle Behandlungen vorhalten.

Klingt radikal, geht aber in die Richtung, die die Landesregierung bereits eingeschlagen hat. Claudia Krüger, Sprecherin des Sozialministeriums Baden-Württemberg, sagt, dass sich die „Krankenhauslandschaft in Baden-Württemberg bereits in einem Umbruchprozess“ befinde, „der den grundsätzlichen Aussagen der Bertelsmann-Studie entspricht“.

Wir haben in einem Datenexperiment aufgezeigt, wohin die Reise im Extremfall geht. Das Ergebnis in der Kurzfassung: Ländliche Regionen wie der Hochrhein und die Kommunen am Obersee wären zumindest räumlich von der Klinikversorgung weitgehend abgeschnitten.

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Sind weniger Kliniken gefährlich?

Leidet die medizinische Versorgung vor allem auf dem Land, wenn es kleine Kliniken nicht mehr gibt? Ja und nein, meint Christoph Dodt, Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft interdisziplinäre Notfall- und Akutmedizin (DGINA).

Der Münchner Professor hält es grundsätzlich für sinnvoll, die Krankenhauslandschaft zu reformieren. „Die hochspezialisierte Versorgung zu zentralisieren, dürfte weniger das Problem sein“, glaubt Dodt. Er sieht vor allem Schwierigkeiten bei der Versorgung von alten Patienten. Wenn Kliniken geschlossen, zusammengelegt oder an zentralen Punkten neu errichtet werden, reduziere sich insgesamt die Bettenzahl. Dies habe zur Folge, dass Patienten sich weniger lange im Krankenhaus aufhielten. Dafür müsse dann eine entsprechende Versorgung zu Hause sichergestellt werden.

In Dänemark findet seit Jahren ein massiver Umbau der Krankenhauslandschaft statt, die Anzahl der Kliniken wird reduziert, gleichzeitig in Zentralkliniken investiert, die dann auch eine umfassende Versorgung anbieten. Die Bettenzahl wurde nach unten korrigiert, die Aufenthaltsdauer der Patienten ebenso. Auf 100.000 Dänen kommen laut der europäischen Statistikbehörde Eurostat 252,46 Betten.

Die Umstrukturierung braucht viel Zeit

Ließe sich eine solche Reduzierung auch in Deutschland umsetzen, wo für 100.000 Einwohner derzeit 605,62 Betten zur Verfügung stehen? Tatsächlich bemängeln Experten wie Dodt, „dass es keine übergreifende abgestimmte Krankenhausplanung gibt. Das wird künftig nicht mehr funktionieren.“

Die Neustrukturierung hält Dodt deshalb für sinnvoll – aber weder lasse sich das innerhalb weniger Jahre realisieren, noch würden Kranken- und Staatskassen dadurch weniger belastet: „Das ist die Aufgabe einer Generation, das dauert sicher 20 Jahre. Durch die notwendigen Investitionen käme es zudem zu einer massiven finanziellen Mehrbelastung.“

Auch die Deutsche Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin sieht viele Probleme in der derzeitigen Krankenhauslandschaft im Land und im Bund. Uwe Janssen, Chefarzt an der Klinik für Innere Medizin und Internistische Intensivmedizin im nordrhein-westfälischen Eschweiler, spricht von einem „unseligen Wettrüsten“ zwischen Kliniken. Tatsächlich basiert die Finanzierung von Krankenhäusern häufig auf Fallpauschalen – je mehr Fälle, desto mehr Geld fließt. Je mehr ein Krankenhaus anbietet, desto stärker ist es auf entsprechende Fallzahlen angewiesen, um sich zu finanzieren. Janssen ist überzeugt: „Das schafft Misstrauen, ja nahezu Angst bei den Patienten, weil sie sich unsicher sind, ob die Diagnose richtig ist.“

Dabei sei es ein Fehler, von behandelten Krankheitsfällen Rückschlüsse auf die Qualität von
Krankenhäusern zu ziehen, meint Christoph Dodt von der DGINA. Gerade im ländlichen Raum aber sei die Situation eine andere: Dort erfüllten die kleineren Kliniken naturgemäß nicht die Fallzahlen. Diese Häuser seien mit Kranken belegt, die keine spezialisierte Pflege brauchen.

„Strukturelle Veränderungen sind unumgänglich“

In Nordrhein-Westfalen sei eine Neuaufstellung in Planung, deutete Janssens an, sie werde voraussichtlich im Herbst vorgestellt. Grundlage sei eine zentriertere Krankenhausplanung, um Dopplungen von Fachabteilungen zu vermeiden – ähnlich wie in der Bertelsmann-Studie angedacht.

„Strukturelle Veränderungen in der Krankenhauslandschaft„ hält auch Janssen für unumgänglich, um dem wachsenden Pflegemangel entgegenzuwirken. Die Bevölkerung werde immer älter – „weil das Problem so verschlafen wurde, werden wir ohnehin einen riesigen Pflegemangel bekommen.“ Häufig würden Krankenhäuser zudem nicht mit den Strukturen ausgestattet, die notwendig seien. Kliniken seien so gezwungen, mit den Einnahmen nicht nur das Personal zu bezahlen, sondern auch Renovierungen und Erweiterungen zu finanzieren. „So gerät das System immer mehr in Schieflage“, befürchtet Janssen.

Viele kommunale Träger hätten dadurch Schwierigkeiten, Kliniken zu finanzieren und verkaufen zunehmend an private Träger. Eine Entwicklung, die der Experte für bedenklich hält: „Der Anteil beträgt in einigen Bundesländern über 50 Prozent.“ Das hält er deshalb für problematisch, weil Unternehmen gewinnorientiert arbeiten. „Das ist grundsätzlich nicht verkehrt, aber der Umsatz muss in Personal und Investitionen fließen.“

Die Lösung sieht Janssen in einer bundesweiten Planung – weg von Länderplanungen, die unabhängig voneinander agieren. Das jetzige System können nur dazu führen, dass die Kliniken versuchten, immer mehr Leistungen anzubieten – unabhängig davon, welche Leistungen in benachbarten Krankenhäusern bereits angeboten werden. Eine Forderung, die der Bonner Sachverständigenrat längst gestellt hat: Während die Krankenhausplanung Sache der Länder ist, sei eine „koordinierende Rolle des Bundes“ denkbar – „gerade bei hochspezialisierten, bundesland-übergreifend wichtigen Zentren“.