Die Lage in Deutschland habe sich weiter verschärft, schreibt Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) in ihrem Brief an die EU-Kommission vom 9. September 2024, mit dem sie die Fortsetzung der Grenzkontrollen ankündigt.

Die Zahl der bundesweiten Asylanträge war abgesehen vom Januar im laufenden Jahr allerdings jeden Monat niedriger als im Vorjahr, in dem die Innenministerin bis in den Herbst hinein keine Notwendigkeit gesehen hatte, die Grenzen wieder kontrollieren zu lassen. In Baden-Württemberg sind die registrierten Asylgesuche im August sogar erstmals wieder niedriger ausgefallen als im August des Jahres 2022.

Wer ist für das Asylverfahren zuständig?

Der öffentliche Druck ist seitdem dennoch gewachsen, die Maßnahmen werden weiter verschärft. Vor allem Zurückweisungen an der Grenze werden weiterhin viel diskutiert. Aus Regierungskreisen heißt es, dass die Bundespolizei im Falle eines geäußerten Asylersuchens unmittelbar prüfen soll, ob ein anderer EU-Mitgliedstaat für das Asylverfahren zuständig ist.

Das eigentlich zuständige Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) leitet dann ein beschleunigtes Dublinverfahren ein, an dessen Ende die Rücküberstellung in den zuständigen Staat stehen soll.

Bundespolizei soll Haftkapazitäten prüfen

Die Bundespolizei soll an der Grenze auch gleich prüfen, ob Haftkapazitäten für die ausreisepflichtige Person zur Verfügung stehen und „beantragt ggf. beim zuständigen Gericht Haft wegen Fluchtgefahr zur Sicherstellung des Verfahrens, um ein Untertauchen der Personen zu vermeiden“, heißt es in einem Regierungspapier.

Dabei sei ein schnelles Handeln der Justiz der Länder erforderlich, es müssten „die Haftplätze der Länder in ausreichender Anzahl, möglichst in Grenznähe entlang der Migrationsrouten, vorhanden sein“.

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Das klingt erst einmal danach, als würde die Bundesregierung die Länder auffordern, ihre Kapazitäten zu erhöhen. Eine entsprechende Nachfrage des SÜDKURIER beim Bundesinnenministerium wird aber nicht konkret beantwortet. Ist eine Inhaftierung nicht möglich, wird eine Wohnsitzauflage vorgesehen, heißt es dazu aus Regierungskreisen.

Und es wird auf einen Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz hingewiesen. In deren Papier vom 6. März 2024 heißt es: „Die Länder werden darüber hinaus ihre Haft- und Gewahrsamskapazitäten überprüfen und insbesondere in Grenznähe ausweiten.“ Mehr Details dazu gibt es auch ein halbes Jahr später nicht, außer dass der baden-württembergische CDU-Chef Manuel Hagel die Forderung nach mehr Plätzen Mitte September noch einmal wiederholte.

25.000 ausreisepflichtige Personen im Südwesten

In Baden-Württemberg gibt es nach Angaben des zuständigen Justizministeriums derzeit 51 Plätze für Abschiebehaft und Ausreisegewahrsam – alle in der JVA Pforzheim. Mit aktuellstem Stand von Ende Juli leben im Südwesten knapp 25.000 ausreisepflichtige Personen – allerdings mit Duldung, was bedeutet, dass ein rechtlicher oder tatsächlicher Grund gegen ihre Abschiebung vorliegt, etwa fehlende Ausweispapiere oder eine ernste Krankheit.

Deutlich weniger Personen – im vergangenen Jahr knapp 6.000 – können wirklich abgeschoben werden. 2023 ist das in etwas mehr als einem Drittel der Fälle gelungen.

Auch die Konstanzer Bundestagsabgeordnete Ann-Veruschka Jurisch (FDP) appelliert an die schwarz-grünen Regierung im Südwesten, die Kapazitäten im Ausreisegewahrsam auszubauen, um Abschiebungen zu beschleunigen. Sie sagt: „Ich fordere seit Jahren mehr Plätze im Ausreisegewahrsam – hier muss das Land endlich tätig werden.“ Und: „Das Land nutzt die Reserven seiner Erstaufnahmeeinrichtungen nicht und schafft so Überforderung in den Kommunen.“

Das Land schaffe Überforderung in den Kommunen, sagt Ann-Veruschka Jurisch, FDP-Bundestagsabgeordnete aus Konstanz.
Das Land schaffe Überforderung in den Kommunen, sagt Ann-Veruschka Jurisch, FDP-Bundestagsabgeordnete aus Konstanz. | Bild: Carsten Koall/dpa

Denn das Land reizt die Plätze in den sogenannten LEAs keineswegs aus. Das führt dazu, dass Menschen bereits während ihres Verfahrens in die Kommunen verteilt werden – und für Behördenbesuche dann oft weite und kostspielige Wege zurücklegen müssen, zumal wenn ihr Antrag abgelehnt wird und sie abgeschoben werden sollen. Dann müssen sie erst in den Kommunen aufgesucht werden.

Das baden-württembergische Justizministerium verweist auf Nachfrage auf die Pflicht, Platzreserven für Notsituationen vorhalten zu müssen. Ob dafür aber dauerhaft tausende Plätze nötig sind wie in diesem Sommer, ist zumindest fraglich.