Es ist ein Rennen gegen die Zeit. Die Impfstudie in Tübingen hat Konkurrenz bekommen. Viel Konkurrenz. Aktuell laufen etwa 25 klinische Studien zu Impfstoffen gegen die vom neuen Coronavirus ausgelösten Krankheit Covid-19. Weltweit sind mehr als 170 Projekte zu einem Impfstoff gegen Covid-19 gestartet. Curevac mit Sitz in Tübingen hat seine klinische Studie Ende Juni gestartet, die zweite Phase der Studie soll „demnächst“ beginnen, sagt Studienleiter Professor Peter Kremsner dem SÜDKURIER.

Professor Peter Kremsner in seinem Büro im Tropeninstitut an der Uniklinik Tübingen.
Professor Peter Kremsner in seinem Büro im Tropeninstitut an der Uniklinik Tübingen. | Bild: Moll, Mirjam

Der 59-Jährige ist Direktor des Tropeninstituts an der Uniklinik Tübingen. Dort werden die Probanden geimpft und ein Großteil der Blutproben ausgewertet, die im Lauf der Studie den Probanden entnommen werden. Derzeit liege die Studie „im guten Mittelfeld“ der derzeit international laufenden klinischen Tests, schätzt Kremsner. Doch der Zeitdruck ist groß: Wer wird das Rennen machen und den ersten Impfstoff auf den Markt bringen?

Vorreiter Russland und China?

Aktuell vermelden Russland und China erste Erfolge bei der Immunisierung in Tests mit neuen Impfstoffen. Schon kommende Woche will Russland den neuen Impfstoff genehmigen. Ab Herbst könnte dann geimpft werden, kündigte Gesundheitsminister Michael Muraschko laut der staatlichen Nachrichtenagentur Tass an. Kann das sein? Kremsner zeigt sich skeptisch: Über das Verfahren dort könne man diskutieren, sagt er vorsichtig.

Blick ins Labor: Bei der Firma CureVac in Tübingen wurde der Impfstoff gegen den Coronavirus entwickelt.
Blick ins Labor: Bei der Firma CureVac in Tübingen wurde der Impfstoff gegen den Coronavirus entwickelt. | Bild: Bernd-Ulrich Wagner

Zwar haben zwei chinesische Unternehmen, Sinovac und Sinopharm, in Brasilien und den Vereinigten Arabischen Emiraten die dritte und entscheidende Testphase eingeleitet. Allerdings wird Medienberichten zufolge ein weiterer Impfstoff schon Mitgliedern des chinesischen Militärs verabreicht, ohne die letzte Testphase durchlaufen zu haben.

Ohne Ethikkommission und Zulassungsbehörde geht in der EU nichts

In Deutschland und der EU sind solche Methoden undenkbar. Kremsner gestand zwar ein, dass der Zeitdruck auf der Studie laste, stellte aber klar, dass sich die Studie unter seiner Aufsicht kaum noch beschleunigen lässt. Ethikkommission und Zulassungsbehörde haben das Zepter in der Hand, betont der Mediziner.

Auch in den USA und Großbritannien laufen Tests auf Hochtouren. In Deutschland und der EU heißt der große Konkurrent von Curevac allerdings Biontech: „Die sind ähnlich weit, oder sogar weiter als wir“, vermutet Kremsner.

Mitarbeiter des Biotechnologie-Unternehmens Biontech beraten sich im Labor. Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) hat dem Konkurrenten von ...
Mitarbeiter des Biotechnologie-Unternehmens Biontech beraten sich im Labor. Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) hat dem Konkurrenten von Biontech zuerst die Erlaubnis erteilt, die klinische Studie zu starten. Das Mainzer Unternehmen ist Tübingen derzeit offenbar voraus. | Bild: Stefan Albrecht

Tatsächlich haben das Mainzer Biopharma-Unternehmen und sein US-Partner Pfizer gerade die Erlaubnis zum Start der Phase-2 erhalten. 30.000 Probanden zwischen 18 und 85 Jahren werden nach Angaben des Unternehmens in 120 Studienzentren weltweit geimpft. Sollte die heiße Phase der Studie erfolgreich sein, könnte Biontech schon im Oktober die dritte und finale Zulassungsstudie beantragen. Bis Ende des Jahres könnten dann 100 Millionen Impfdosen bereitgestellt werden, kündigte das Unternehmen an.

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Ein Zeitplan, bei dem der Tübinger Konkurrent wohl nur schwer mithalten kann. Die Zulassungsstudie in Tübingen wird im Herbst wohl noch nicht möglich sein. Kremsner sagt dazu: „Wir wollen noch in diesem Jahr damit beginnen.“ Mehr will, darf er nicht sagen.

Das Curevac-Gebäude in Tübingen.
Das Curevac-Gebäude in Tübingen. | Bild: CureVac

Auch eine Anfrage bei Curevac selbst bringt keine Klarheit: Die Firma befinde sich gerade im Prozess eines Börsengangs in den USA. Aus rechtlichen Gründen sei daher zu diesem Zeitpunkt keine Auskunft möglich, sagt Sprecher Thorsten Schüller. Der SÜDKURIER hatte unter anderem gefragt, wo sich das Unternehmen im Rennen um die Entwicklung eines Impfstoffs selbst sieht und wann Curevac mit einer vorläufigen Zulassung rechne.

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Dafür ist Phase 2 in greifbarer Nähe: Schon am morgigen Mittwoch werde besprochen, „wie wir weitermachen“, sagt Kremsner. Voraussetzung für die nächste Stufe der Impfstudie ist, dass in der ersten Phase der Studie Verträglichkeit und Sicherheit des Impfstoffs nachgewiesen werden konnten.

In der zweiten Phase gehe es dann sowohl um die finale Dosierung, die an einer größeren Zahl von Probanden getestet werde. Darin sollen dann auch ältere Probanden teilnehmen, die zur Zielgruppe gehören: Menschen deutlich über 60 Jahre.

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Erst in der dritten Phase wird dann eine Vielzahl von Probanden geimpft – dann mit festgelegter Dosierung und einem festen Regime, also wie häufig eine Impfung wiederholt werden soll. Die entscheidende letzte Phase soll in verschiedenen Ländern stattfinden, wo die Infektionszahlen tendenziell höher sind.

Großer Konkurrenzkampf

Ob Curevac den Wettlauf mit der Zeit gewinnt, ist schwer zu sagen. Was für das Unternehmen von großer Bedeutung sein wird, hat für Kremsner selbst keine besonderen Auswirkungen. Der Professor im Beamtenstatus geht – abgesehen von seinem Gehalt – leer aus. Für ihn liegt der Gewinn anderswo: in der Möglichkeit, als Mediziner mitgewirkt zu haben an einem Impfstoff gegen eine Infektionskrankheit, deren Langzeitwirkungen heute noch gar nicht bekannt sind.

In Tübingen stehen die Unternehmen praktisch Schlange. Kremsner kündigte an, das ein Impfstoff, der aus eine Initiative des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung stamme, im Herbst mit der klinischen Studie am Tübinger Tropeninstitut beginnen könnte. Im November oder Dezember könnte der Impfstoff eines dänischen Konsortiums folgen.

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