Die Nachricht von seinem Tod zog eine lange Reihe von Ehrentiteln nach sich, mit denen politische Weggefährten ihren Respekt vor der Leistung und dem Gestaltungswillen Wolfgang Schäubles bekundeten.

Da steht der „Ausnahmepolitiker“ neben dem „Glücksfall für die deutsche Geschichte“, der „streitbare Christdemokrat“ neben einem „der letzten Großen in der deutschen Politik“.

Das Lob ist im Einzelnen jeweils zutreffend. Doch reicht es bei weitem nicht aus, um der Gesamtpersönlichkeit dieses Mannes gerecht zu werden, der Politik aus tiefer innerer Leidenschaft betrieben hat – und dabei den Sinn für das menschliche Maß, für Bescheidenheit und Demut nie aus den Augen verlor.

Wolfgang Schäuble verstand Politik als Dienst an der Sache, als Ringen um die beste Lösung, als nervenzehrende Überzeugungsarbeit.

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Wo andere die Flinte ins Korn geworfen hätten, sah sich der von eiserner Disziplin beseelte Mann im Rollstuhl in der Pflicht. Er begann dort, wo es schwierig und komplex wurde, während andere gerne auf gestanzte Floskeln verfielen.

Das war dem politischen Kunsthandwerker aus Offenburg fremd. Er sprach Klartext, auch wenn es Parteifreunde mitunter nervte. Erst kürzlich, nach dem von seiner Partei erwirkten Karlsruher Haushaltsurteil warnte er die CDU, sie solle sich nicht zu früh freuen. Der Spruch werde auch unionsgeführte Länder belasten. So spricht nur einer, dem ehrliche Urteile von Wert sind.

Deshalb schätzte man Wolfgang Schäuble nicht nur in der Arena der Politik, wo er durch Sachlichkeit und Kenntnisreichtum in einer Zeit hervorstach, in der diese Kompetenzen nicht mehr selbstverständlich sind.

Auch als einfacher Abgeordneter fand er seinen Platz

Sondern er war auch seinen Wählern daheim eine Autorität mit klaren Kompass, weshalb der Kandidat 2021 selbst mit 79 Jahren sein Bundestagsdirektmandat souverän verteidigte. Dass er nach der Wahlniederlage weitermachte und als einfacher Abgeordneter seinen Platz im Plenum einnahm, war einem hohen Pflichtgefühl geschuldet, das die öffentliche Sache immer über die persönlichen Befindlichkeiten stellte.

Als Redakteure des SÜDKURIER den Politiker vor seinem 80. Geburtstag in seiner Wohnung daheim besuchten, sagte dieser, er sei „dankbar für sein Leben“. Nun ist es an Deutschland, Wolfgang Schäuble zu danken.