Lange, zu lange hat es gedauert, bis das Gesetz zum Mutterschutz nach einer erlittenen Fehlgeburt zu Monatsbeginn in Kraft getreten ist: Jetzt haben auch Frauen, die ihr Kind in einer früheren Phase der Schwangerschaft verlieren, Anspruch darauf. Bisher waren sie davon abhängig, ob der Arzt es nach diesem einschneidenden Ereignis für notwendig hielt, sie krankzuschreiben. Gut ist, dass jede Frau ein Wahlrecht hat und auch weiterarbeiten kann.
Für die Betroffenen eine Katastrophe
Wie stiefmütterlich das Thema behandelt wird, zeigt sich schon daran, dass es drei Jahre gedauert hat, bis die Änderung endlich im Gesetz steht. Es musste 2022 erst eine betroffene Frau kommen, die kämpfte, nicht nachließ und schließlich 75.000 Unterschriften für eine Petition sammelte. Ein Zeichen dafür, wie schwer es Familien- und besonders Frauenthemen haben, sich auf der politischen Agenda durchzusetzen.
Bei fast 700.000 Neugeborenen im Jahr nehmen sich 6000 Fehlgeburten zwischen der 13. und 24. Schwangerschaftswoche, für die die neue Regelung gilt, geradezu wenig aus. Für die Betroffenen sind sie eine Katastrophe.
Obwohl fast jede dritte Frau in Deutschland irgendwann in ihrem Leben eine Fehlgeburt erleidet, bleibt das Thema ein Tabu. Wer sein Baby verliert, spricht oft nicht einmal mit Freunden darüber, geschweige denn mit Bekannten, Nachbarn oder Kollegen.
Man sieht anfangs noch nichts, die Frau scheint äußerlich gesund, doch nach den Schmerzen des Abbruchs bleibt seelisch eine tiefe Wunde zurück. Selbst wenn eine Frau später erneut schwanger wird und alles gut geht, wird sie dieses Kind nie vergessen. Gerade weil das Thema gesellschaftlich so ausgeblendet wird, ist die Versorgung und Aufklärung der Patientinnen umso wichtiger.
Inzwischen gibt es zwar auch eine Leitlinie für Fehlgeburten im ersten Trimester, nach denen Ärzte handeln sollten, doch selbst die hessische Landesärztekammer kritisiert eine mangelnde Öffentlichkeitsarbeit. Studien zeigen, dass Frauen durch diese traumatische Erfahrung eher an einer Depression oder Angststörung erkranken können.
Blutungen, Schmerzen und Krämpfe stellen sich ein, manche merken zunächst gar nicht, dass das Kind in ihrem Bauch nicht mehr lebt, auf das sie sich so gefreut haben. Das ist ein riesiger Schock. Manche müssen sich danach einem chirurgischen Eingriff unterziehen. Dieser wird in Deutschland viel häufiger als in anderen europäischen Ländern gemacht, obwohl es auch andere Methoden gibt.
Bisher waren sie keine Mütter im Sinne des Mutterschutzes
Außerdem ist es psychologisch problematisch, dass Frauen, die vor der 24. Schwangerschaftswoche ihr Kind verlieren, bisher – aus Sicht des Mutterschutzes – nicht als Mütter galten.
Sie müssen nicht nur körperlich heilen, sondern vor allem seelisch. Höchste Zeit, dass Frauen nun die Möglichkeit dazu bekommen. In der 13. Woche sind bereits alle Organe angelegt, ebenso Augen, Augenlider und Ohren, in der 14. lässt sich feststellen, ob es ein Junge oder Mädchen wird. Schon in der fünften beginnt das Herz zu schlagen.
Ein Baby zu verlieren, ist zu jedem Zeitpunkt der Schwangerschaft ein Trauma. Die Freude auf ein Kind lässt sich nicht nach Entwicklungsstand oder Schwangerschaftswochen staffeln – sie ist von Beginn an da.
So wäre es nur konsequent, wenn der Mutterschutz auch für das erste Trimester gilt. Allerdings wollen Frauen dann vielfach ihre Schwangerschaft ihrem Arbeitgeber noch nicht anzeigen. Schließlich ist das Risiko einer Fehlgeburt in den ersten drei Monaten am höchsten. 84.000 sind es jedes Jahr. Wer einmal schwanger war, könnte es wieder werden: So mancher Arbeitgeber wird mit diesem Hintergedanken vielleicht von einer Beförderung absehen oder einen befristeten Arbeitsvertrag nicht unbedingt in einen unbefristeten ändern.
Dieses Risiko will nicht jede Frau eingehen, ebenso, dass unter Kollegen bekannt wird, was sie erlebt hat. Sie sollte auch in dieser frühen Phase frei entscheiden dürfen. Doch wer Schutz braucht, sollte ihn in Anspruch nehmen dürfen. Das Nachsehen haben leider privat versicherte Selbständige. Sie genießen keinen Mutterschutz bei einem frühen Ende der Schwangerschaft.