Wann ziehen Sie den Joker für Ihre Kinder? Vor den Ferien, um doch den günstigeren Flug zu erwischen? Oder der volljährige Schüler selbst, wenn er nach einem Konzert morgens nicht aus den Federn kommt?
Erstaunlich ist, dass der Vorschlag, Jokertage an Schulen in Baden-Württemberg einzuführen, ausgerechnet von einem Lehrer stammt: Patrick Konopka, Vater mehrerer Kinder und stellvertretender Kreisvorsitzender der FDP in Konstanz, hat ihn ins Spiel gebracht – mit Verweis auf die Schweiz, wo es in allen Kantonen Jokertage gibt. Schule solle, wie er sagt, auf diese Weise ehrlicher und fairer werden, wenn Schüler an zwei oder mehreren Tagen fehlen können, ohne besondere Gründe angeben zu müssen.
Genug Ferientage
Doch die Idee hat gleich mehrere Haken. Schüler im Südwesten haben wie in allen Bundesländern 63 Tage Ferien pro Jahr. Das sollte reichen, um sich zu erholen, in Ferien zu fahren und Dinge zu tun, für die sonst zu wenig Zeit bleibt. So mancher Arbeitnehmer kann von so viel Urlaub nur träumen.
Hinzu kommt, dass gerade Baden-Württemberg und Bayern eine Sonderregelung für die großen Ferien genießen: Die Sommerferien beginnen erst Ende Juli/Anfang August, wenn andernorts die Schüler schon wieder die Schulbank drücken müssen.
Das hat immer wieder für Neid und Unmut in anderen Bundesländern geführt. Was ursprünglich gedacht war, damit Kinder in der Landwirtschaft mithelfen konnten, bringt Eltern nun in den Genuss, vielerorts schon von Nebensaison-Preisen zu profitieren.
Falsche Entschuldigungen
Dann noch zwei Tage dazuzugeben, damit der optimale Flugpreis gefunden wird, ist völlig übertrieben. Nicht ausgemacht ist damit auch, dass es künftig dann keine falschen Entschuldigungen fürs Fehlen mehr gibt.
Jokertage setzen aber vor allen Dingen falsche Anreize: Man kann blaumachen, wann und weshalb man möchte. Schüler sollten jedoch lernen, für die Folgen ihrer Handlungen einzustehen. Man kann nicht einfach zu Hause bleiben, nur weil man abends zu spät ins Bett gekommen ist. Ausschlafen und billige Ferienflüge bekommen so einen höheren Stellenwert als Unterricht.
Die Zeiten, in denen die Kinder in voller Zahl als Klasse zusammen lernen, würden schrumpfen. Es würde suggeriert, dass der Unterricht in diesen Zeiten beliebig und irrelevant sei. Ad absurdum geführt würden auch die Bemühungen der Schulen, möglichst keinen Unterricht ausfallen zu lassen.
Lehrer haben das Nachsehen
Fielen die Jokertage auf Tage mit Klassenarbeiten, hätten die Lehrer außerdem das Nachsehen. Sie müssten sich neue, gleichwertige Fragen für einen Nachtest überlegen – und das zusätzlich zu ihrer sonstigen Vorbereitungszeit.
Dass Schüler den versäumten Stoff eigenständig nachholen müssen, mag für Ältere in Ordnung gehen, doch bei jüngeren Schülern bleibt es am Ende doch am Lehrer hängen, wenn zwölf oder mehr Schulstunden nachgeholt werden müssen. Was für ein Aufwand für einen fragwürdigen Luxus für Schüler und deren Eltern.
Das Fernbleiben von der Schule aus bestimmten Gründen ist im übrigen bereits möglich. Seit 1982 ist die sogenannte Schulbesuchsverordnung in Baden-Württemberg in Kraft.
Wichtige Gründe für Beurlaubung
Sie führt mehr als zehn Gründe für eine mögliche Beurlaubung an: Als wichtiger persönlicher Grund gelten ein Todesfall in der Familie, die Hochzeit von Geschwistern oder Ehejubiläen der Eltern, Umzug oder eine schwere Erkrankung von Familienmitgliedern.
Auch bei Sprachkursen im Ausland, internationalen Austauschen, Ehrenämtern und kirchlichen Feiertagen können Schüler beispielsweise einen Antrag auf Freistellung vom Unterricht stellen. Was bliebe als wichtiger Grund, der hier nicht angeführt wird?
Kinder lernen in der Schule, sich an Regeln zu halten und diszipliniert zu arbeiten. Schule ist kein Kartenspiel mit Jokertagen und legales Blaumachen fehl am Platz. Bei der Arbeit kann man sich das später auch nicht erlauben. Das wissen Eltern und Lehrer nur zu gut.