Sehr geehrte Frau Esken,
reicht es Ihnen nicht auch manchmal mit dieser Dauerkritik? Mit Anfeindungen von rechts und links, von Leuten, die Ihre SPD ohnehin nie wählen würden? Möchten Sie da nicht einfach mal einen Urlaub machen? Wandern auf Lanzarote oder so? Ach halt, waren Sie ja grad schon.
Aber nein, hier sollen Sie mal nicht verhöhnt werden. Das machen genug andere Leute. Man fragt sich eher, wann Sie mal jemand verteidigt hat. Stattdessen hat sie ein Politiker aus ihrem eigenen Landesverband kritisiert, Sascha Binder.
Er ist seit sieben Jahren Generalsekretär der im Südwesten in dieser Zeit konstant erfolglosen SPD. In den Umfragen liegt sie im Land im Nirvana, weit hinter CDU, Grünen und AfD, zwischen 10 und 13 Prozent. Binder selbst reicht das als Arbeitsnachweis aber offensichtlich, um Ihnen die Qualifikation für ein Ministeramt abzusprechen.
Es gibt einen Teil der Geschichte, der ist ausreichend berichtet: Es ist der der chronisch unbeliebten Pattex-Esken, die an der Macht klebt, trotz historisch schlechtem SPD-Wahlresultat.
So schlecht ist Ihre Bilanz nicht
Kann man diese Geschichte vielleicht auch umgekehrt erzählen? Die standhafte Saskia, die trotz Gegenwind nicht aufgibt? Die zweimal als Parteichefin wiedergewählt wurde (seit Willy Brandt war nur Sigmar Gabriel länger SPD-Chef), auch frauenfeindliche Angriffe aushält, unter deren skandalfreien Führung die Partei Kanzelpartei wurde und für SPD-Maßstäbe geschlossen wirkt?
Die Wahrheit ist: Auch Ihre politische Biografie hat zwei Seiten. Da Politiker aber nur noch als Helden oder Versager dargestellt werden, gerne auch beides in immer rascherer Folge wechselnd, schaut keiner mehr auf Grautöne.
Würde man politische Erfolge und Misserfolge, schlaue Positionen und eher fragwürdige Aussagen gegeneinander aufwiegen, würde man am Ende noch erkennen: Da steht ein Mensch! Das wäre ja was.
Ob Sie nach einer fairen Abwägung ministerinnentauglich wären, ist eine andere Frage – echte Parteifreunde verhandeln das aber sicher nicht öffentlich.
„Ich provoziere Widerspruch“
Was sagen Sie selbst eigentlich zu den Gründen für die Kritik an Ihnen? „Als linke Politikerin, die den Mund aufmacht für Gerechtigkeit, provoziere ich Widerspruch im konservativen Teil der Gesellschaft“, äußerten Sie zuletzt in einem Interview.
Gerade Frauen wie Annalena Baerbock und Ricarda Lang, aber auch Männer wie Kevin Kühnert und Robert Habeck würden da sicher zustimmen.
Linke Politiker werden nicht nur kritisiert, sie werden gehasst. Und egal wie man zu Ihnen politisch steht: Hass trifft immer die Falschen, weil es keinen berechtigten Hass gibt.
Diese vier Politikerinnen und Politiker haben daraus andere Konsequenzen gezogen, sich aus der deutschen Spitzenpolitik verabschiedet. Ricarda Lang wirkt seither regelrecht gelöst.
Man neigt dazu, zu sagen: Alles richtig gemacht! Oder muss man vor Ihrem harten Weg vielleicht sogar mehr Respekt haben?