Sehr geehrter Herr Merz,

mit der Stimmung im Konrad-Adenauer-Haus dürfte es dieser Tage nicht zum Besten stehen. Die Regierungskoalition in Berlin schwächelt jede Woche mehr – doch wer nicht profitiert, ist die größte Oppositionspartei im Bundestag, Ihre nämlich. Die Punkte bei den Umfragen macht die AfD, und nicht nur das. Seit Neuestem gewinnt die Rechtsaußen-Partei auch noch Regierungsämter. Gut, nur auf Landkreisebene, aber immerhin.

Wann punkten, wenn nicht jetzt?

Bei knapp 30 Prozent liegen CDU und CSU gerade in den Umfragen. An erster Stelle, aber weit davon entfernt, eine Machtoption zu schmieden. Man kann Wahlen so gewinnen, aber was wird dann daraus? Wenn die Union noch nicht einmal jetzt Profit schlagen kann aus der Krise der Ampel-Koalition, läuft etwas gründlich schief.

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Ich nehme an, im CDU-Vorstand wurde das alles sauber analysiert – und dann musste ein Kopf rollen. Der von Mario Czaja. Der weiß, wie man der Linken ein Mandat abjagt, wie er in Berlin-Marzahn bewiesen hat. Aber kann er die CDU auch gegen rechts verteidigen? Offenbar nicht. Sein größter Makel ist aber wohl: Ihr alter Generalsekretär war kein Lautsprecher und kein Konservativer. Ich denke, das war bewusst so gewählt, weil die CDU ein Bild der Vielfalt von sich in die Öffentlichkeit aussenden wollte, in der Merkelianer und Merkel-Hasser, Konservative und Moderne ihren Platz haben sollten. Nur letztlich sollten sie dem Ober-Boss keine Konkurrenz machen. Und das sind nun einmal Sie.

Die Pascha-Äußerung bewirkt das Gegenteil des Erwünschten

Die Rechnung ist bislang nicht aufgegangen. Irgendwann wird der Punkt kommen, an dem Sie sich fragen müssen, welchen Anteil Sie daran tragen. Von Ihrer Ankündigung, die AfD zu halbieren, sind Sie meilenweit entfernt. Und zwar nicht, weil die CDU unter Ihnen so weit links stünde.

Mit ihren Pascha-Aussagen (über die Berliner Silvesterkrawalle) und dem Vorwurf des Sozialtourismus (gegen ukrainische Flüchtlinge) hauten Sie durchaus in dieselbe Kerbe wie die AfD, und das mit markigen Worten. Das soll nicht heißen, dass man Mängel nicht benennen soll, wenn sie sichtbar werden. Das Problem ist vielmehr: Wenn die CDU bei solchen Themen die sachliche Ebene verlässt, verändert sich die Debatte – und letztlich profitiert davon die AfD.

Armin Laschet zeigt, wie es auch geht

Vielleicht sollten Sie mal einem das Ohr leihen, der zuletzt nicht gerade für durchschlagenden Erfolg bei der CDU stand: Armin Laschet. Der hat bestimmt viele Fehler gemacht, aber wenn es um die AfD geht, zieht er wirklich eine klare Kante. Eben hat er mit einer kurzen Bundestagsrede einen YouTube-Hit gelandet. Wann ist das Mario Czaja zuletzt passiert?

Auch wenn Sie diesen Satz vermutlich nicht gerne hören, Herr Merz: Sie schaffen das! Sie sind jedenfalls schlau genug, zu wissen, dass es nicht einer allein richten kann. Tacheles reden können Sie auch. Tun Sie‘s, ganz nüchtern.