Eine Aktion von 125 Kirchenmitgliedern ist seit Montag in aller Munde. Die Initiative #OutInChurch fordert, das kirchliche Arbeitsrecht so zu ändern, „dass ein Leben entsprechend der eigenen sexuellen Orientierung und der geschlechtlichen Identität“ nicht zur Kündigung führe.

Es gibt gute Gründe, die dafür sprechen:
1. Kirchenrechtsteht nicht über dem Gesetz
125 Kirchenmitarbeiter sorgen gerade mit ihrer durch eine ARD-Dokumentation bekanntgewordenen Aktion „Out in Church“ für Furore. Diese Menschen sind schwul, lesbisch oder trans und wagen es, dies laut auszusprechen, obwohl sie Angestellte der katholischen Kirche sind. Sie müssen nun mit Kündigung rechnen. Denn wer für die evangelische oder die katholische Kirche arbeitet, stimmt der Verpflichtung zu, mit den moralischen Vorstellungen des Arbeitgebers konform zu gehen. Das betrifft sogar das Privatleben.
Dabei verbietet das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) Diskriminierung aufgrund von sexueller Orientierung. Kirchenkritiker fragen sich, ob sich die Kirche tatsächlich gegen Menschenrechte stellen kann. Und zu diesen kann man das Diskriminierungsverbot zählen, auch wenn die sexuelle Identität im Grundgesetz nicht erwähnt wird.
2. Die Sonderstellung der Kirchen rechtfertigt nicht alles
Es stimmt: Den Kirchen billigt man in Deutschland eine Sonderstellung zu. Das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgesellschaften ist im Grundgesetz verankert. Und das Bundesverfassungsgericht hat 1985 festgestellt, dass dieses Selbstbestimmungsrecht sehr weit reicht. Wie weit genau, das sieht die Rechtsprechung unterschiedlich.
Fakt ist aber: Die Kirche hinkt mit ihrer Sexualmoral den gesellschaftlichen Gegebenheiten, aber auch den weltlichen Gesetzen stark hinterher. Diese Abweichung mag ja angehen, solange sie das Zölibat für Priester betrifft. Warum aber sollten kirchliche Moralvorstellungen, die tief ins Privatleben eingreifen, auch für Erzieher, Pfleger oder Pastoralreferenten gelten?

3. Es geht um viel zu viele Menschen
1,8 Millionen Mitarbeiter haben die Kirchen in Deutschland laut der Gewerkschaft Verdi. Sie arbeiten zum großen Teil in Kindergärten, Sozialdiensten, Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen der Diakonie und Caritas. Nach dem öffentlichen Dienst gelten die Kirchen damit als der zweitgrößte Arbeitgeber in Deutschland. Und für diesen riesigen Bereich soll das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz nicht gelten? Das darf der Gesetzgeber nicht zulassen.
4. Die Kirche ist nicht auf der Höhe der Zeit. Das zeigt auch der Missbrauchsskandal
Überkommene Moralvorstellungen sind das eine. Das andere ist der Umgang mit dem Missbrauch. Jüngst hat ein Gutachten über das Erzbistum München in Frage gestellt, ob die Kirche mit der Aufklärung nicht schlichtweg überfordert ist. Jahrzehntelang lautete die Strategie: Vertuschen und Versetzen und bloß nichts nach außen dringen lassen. Offenbar hält sich die Denke noch immer. Opfervertreter fordern deshalb schon länger, dass der Missbrauchsskandal von unabhängigen Stellen aufgeklärt wird und nicht durch bisher zum großen Teil nur durch die Kirche beauftragte Gutachten. Die Kirche kann nicht über sich selbst zu Gericht sitzen – das ist eigentlich nur logisch. Doch die Staatsanwaltschaften halten sich häufig sehr zurück.