Friedrich Merz hat drei Anläufe gebraucht, um CDU-Vorsitzender zu werden. Er schaffte es erst, als der Traum vieler Christdemokraten von der Neuen Mitte ausgeträumt war und Annegret Kramp-Karrenbauer und Armin Laschet in der Versenkung verschwanden.
Der neue Vorsitzende steht für etwas anders. Die Partei erwartet von ihm, dass er konservative Wähler einbinden und so den weiteren Aufstieg der AfD stoppen kann. Der Höhenflug der Rechten in den Umfragen sagt: Hat nicht geklappt. Die Republik ist zu Recht nervös.
Warum Friedrich Merz nervös ist
Besonders der CDU-Chef. Nur so erklärt sich sein Wanken und Schwanken im Umgang mit der AfD, die vor Kraft kaum noch laufen kann und die sich in Magdeburg auf die Europawahl 2024 und die Bundestagswahl im Jahr darauf einstimmt. Schon nehmen die Rechten das Kanzleramt ins Visier. Alice Weidel Bundeskanzlerin?
Möglich wäre das nur, wenn die AfD 2025 stärkste Kraft wird – und wenn die Union ihnen den Steigbügel hält und sich als Juniorpartner auf eine Koalition einlässt. Satzung und Parteitagsbeschlüsse der CDU sagen etwas anderes. Demnach ist jede Zusammenarbeit mit dem linken und dem rechten Rand ausgeschlossen. Punkt. Das Bild von der Brandmauer nach rechts trifft es deshalb sehr genau. Brandmauern verhindern ein Übergreifen des Feuers nur, solange sie keine Lücken und keine Risse haben.
Ist Merz da der richtige Brandexperte? Auch wenn der CDU-Chef seine Aussagen präzisiert hat, darf er sich über das Echo aus seiner Partei nicht wundern. Denn gesagt ist gesagt. Und das heißt im Fall Friedrich Merz: In Bund und Ländern gibt es weiterhin keinerlei Zusammenarbeit mit der AfD, auf kommunaler Ebene vielleicht aber schon.
Für viele CDU-Kommunalpolitiker, die in Kreistagen und Gemeinderäten tagtäglich rechter Hetze ausgesetzt sind, muss das zwangsläufig als Ohrfeige ankommen. Für sie heißt das: Kommunen sind Demokratien zweiter Klasse. Im Bundestag und in den Landtagen bleibt das Mauscheln mit rechten Populisten verboten. In den Rathäusern hingegen kommt es nicht so genau darauf an, ob die Brandmauer hält. Der Kampf um die Demokratie findet weiter oben statt.
Gar nicht so gemeint?
Merz hat klargestellt, dass er es so nicht gemeint hat. Den Zweifel gänzlich ausräumen konnte er nicht, zumal ihm Parteifreunde aus dem Osten beispringen. Dort lässt sich der Sicherheitsabstand zur AfD nicht immer einhalten, wenn man die eigene Kommune nicht zum Stillstand verdonnern will.
Kein Gemeinderat mit Verstand stimmt gegen eine neue Kita oder die Sanierung einer Straße, nur weil die AfD ebenfalls mit Ja stimmt. Zusammenarbeitbedeutet etwas anderes. Sie beginnt dort, wo eine Fraktion Absprachen mit den Rechten trifft, weil sie unter den demokratischen Parteien keine Mehrheit findet. Auf diese Präzisierung wartet die CDU bisher vergebens.
So wirkt der Vorsitzende unsicher, wo er seiner Partei Sicherheit vermitteln sollte. Es reicht nicht aus, auf die Ampelkoalition zu zeigen, wenn wieder einmal die Frage auftaucht, was die AfD so stark macht – auch wenn der Hinweis keinesfalls unberechtigt ist.
Aber die Ursachen der Abwanderung von Wählern wurzeln tiefer. Zuspruch für die AfD gab es schon, bevor Robert Habeck sein Heizungsgesetz auspackte, die Bundesregierung Panzer an die Ukraine lieferte und in Berlin eine Dreier-Koalition auf offener Bühne ihre Streitigkeiten austrug.
Das Umfrage-Hoch der Rechten erklärt sich nicht allein aus dem Misstrauen gegen die aktuelle Regierungspolitik, sondern weit mehr aus dem Misstrauen gegen das gesamte Parteiensystem. In den Augen von hartgesottenen AfD-Wählern sind CDU, SPD, FDP und Grüne keine Konkurrenten mit unterschiedlichen Programmen und Konzepten, sondern ein Interessenskartell zur Verteidigung von Privilegien. Die da oben – das ist das Feindbild, das die Populisten aller Länder eint und ihnen Stimmen zutreibt.
Wenn Populisten regieren
Für die CDU kann die AfD daher niemals ein Partner sein, sondern immer nur ein Gegner. Was sich beim Parteitag in Magdeburg versammelt, hat mit dem Gedankengut von Konrad Adenauer und Helmut Kohl nichts zu tun. Die AfD will die Europäische Union abwickeln, steht im Ukraine-Krieg faktisch auf der Seite Putins und will von einem christlichen Menschenbild nichts wissen.
Wer so denkt, will keine andere Politik, sondern ein anderes System. Entscheidend ist daher nicht, was die AfD zu Klimawandel, Homo-Ehe und Asylrecht sagt – das muss eine Demokratie aushalten. Wichtiger ist die Frage, ob sich diese Partei an die Spielregeln der Demokratie hält, sobald sie an die Hebel der Macht gelangt.
Die Erfahrungen mit Polen, Ungarn und Trumps Amerika, wo Populisten ganz nach oben kamen, lassen nichts Gutes ahnen. Jeder Riss in der Brandmauer wird sich rächen.