Er nennt sich „Impfpapst“ und er verlangt 125 Euro. Dafür, dass man von ihm einen gefälschten Impfpass bekommt. Anonym via Telegram, einer Messenger-App, die anonyme Chats ermöglicht und die deshalb gerne von Gruppierungen genutzt wird, die unter dem Radar bleiben wollen.

Ein angeblicher Medizinstudent preist hier Impfpässe an. Er wolle Menschen helfen, die die neuen Impfstoffe nicht wollen, die „so kurzfristig nur erforscht wurden“. Deshalb hätten sich Ärzte bereit erklärt, Menschen zu helfen, die „dies nicht möchten, aber dadurch nicht auf Dinge“ verzichten zu müssen „und somit als Menschen dritter Klasse abgestempelt zu werden“.

Aufrufe wie diese treffen offenbar einen Nerv. Bürger, die sich nicht impfen lassen wollen, aber Angst haben, gesellschaftlich ausgegrenzt zu werden, sollen hier auf ihre Kosten kommen. Das Angebot scheint verlockend. Der „Impfpapst“ schreibt in dem Telegram-Kanal, es sei ihm möglich, „aus verschiedenen Städten originale Impfpässe von Ärzten zu erhalten“.

Geschäfte über Bitcoin

Bezahlt werden kann nur mit der nicht nachzuverfolgenden Onlinewährung Bitcoin, Anfragen werden nur über geheimen Privatchat entgegengenommen. Der Impfpass werde nach Zahlungseingang per Brief versandt, persönliche Übergabe nicht möglich: „Ich werde nicht für paar Euro mein Studium und Zulassung als kommenden Arzt riskieren“, folgt in grammatikalisch lückenhaftem Deutsch.

Dass hier ein angehender Medizinstudent dahinterstehen soll, der zweifelhaft Gutes tun will, ist wenig glaubwürdig. Ob man tatsächlich einen Impfpass bekommt oder nur abgezockt wird, ist ungewiss.

Bitcoin-Münzen als anonymes und nicht zurückzuverfolgendes Online-Zahlungsmittel.
Bitcoin-Münzen als anonymes und nicht zurückzuverfolgendes Online-Zahlungsmittel. | Bild: Rick Bowmer

Es ist nur ein Beispiel von vielen. Das Geschäft scheint zu florieren, bei einer einfachen Telegram-Suche tauchen mehrere vermeintliche Anbieter auf. Ein einzelner Kanal hat teilweise mehrere tausend Follower.

Aber wie gehen die staatlichen Behörden damit um? Wir haben nachgehorcht.

Kauf eines gefälschten Impfpasses strafbar

Klar ist: Die Fälschung von Impfdokumentationen ist strafbar. Ärzten und medizinischem Personal drohen neben der Straftat des Ausstellens unrichtiger Gesundheitszeugnisse zudem berufsrechtliche Konsequenzen. Aber auch Käufer riskieren viel: Der Kauf und die Nutzung gefälschter Impfpässe ist eine Straftat.

Das Bundeskriminalamt gibt sich auf Anfrage des SÜDKURIER wenig auskunftsfreudig: Ob die Ermittler die Spuren von Anbietern wie dem „Impfpapst“ verfolgen, lässt der Sprecher unbeantwortet. Nur so viel: „Die aktuelle Lage wird seitens der Polizeien von Bund und Ländern intensiv beobachtet.“ Man stehe zudem im Austausch mit den Betreibern von Impfzentren, ergänzt der Sprecher. Auch das Bundesgesundheitsministerium sagt auf Anfrage, es gebe „keine Erkenntnisse über Fälschungen deutscher Corona-Impfzertifikate oder Impfpässe“.

Ähnlich lautet die Auskunft beim Landesinnenministerium. „Nach dem bisherigen Kenntnisstand des Landeskriminalamtes sind bislang in Baden-Württemberg keine Fälle bekannt, in denen Personen mit falschen oder gefälschten Impfnachweisen aufgetreten und sich so beispielsweise unerlaubt zu einem Ladengeschäft Zutritt verschafft hätten“, sagt Sprecher Renato Gigliotti. In Verdachtsfällen werde die Staatsanwaltschaft eingeschaltet.

Impfpass war nie fälschungssicher

Das Problem liegt auf der Hand: Der gelbe internationale Impfpass der Weltgesundheitsorganisation war nie dazu gedacht, fälschungssicher zu sein. Ein Aufkleber, ein handschriftlicher Vermerk und ein Stempel reichen als Nachweis. Stolze Besitzer einer Impfung posten die Bilder ihres Impfpasses vielfach in sozialen Medien. Und machen es Fälschern damit umso leichter, die Aufkleber mit den Chargennummern zu kopieren. Unterschriften lassen sich kaum prüfen, ein Stempel ebenso wenig.

Die Hackervereinigung Chaos Computer Club hat dafür wenig Verständnis: „Das hätte man auch besser lösen können – mit Hologrammaufklebern etwa, mit geprägtem Papier, mit Materialien, die sich nicht jeder auf Amazon zusammenklicken kann.“

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Inzwischen feilen Bund und Länder an einem bundesweiten digitalen Impfpass. Doch bei ihm sollen die analog eingetragenen Impfungen in die digitale Version integriert werden können – das Einfallstor für Fälschungen bleibt also weit offen.

Seitens einer Sprecherin des Bundesgesundheitsministeriums heißt es dazu: „Zurzeit werden verschiedene Möglichkeiten geprüft, um nachträglich die Nachweise zu erstellen.“ Das soll aber möglichst unbürokatisch gehen. Experten warnen allerdings, dass die Möglichkeiten für Betrug so noch größer werden.

Details zum neuen Impfpass noch unklar

Noch sind die Details des neuen digitalen Corona-Impfnachweises unklar. Aber das Sozialministerium lässt wissen: „Die digitalen Impfzertifikate sollen nach derzeitigem Diskussionsstand zwischen den Ländern und dem Bundesgesundheitsministerium in den Impfzentren und später auch in den Arztpraxen ausgestellt werden. Wie und durch welche Stellen eine Echtheitsprüfung der Zertifikate vorgenommen wird, ist noch nicht abschließend geklärt.“

Ohnehin soll der deutsche Impfpass nur eine Interimslösung sein – bis der grüne digitale EU-Pass kommt. Er ist für Juni angekündigt und soll in Form einer App funktionieren. Das System soll fälschungssicher sein, indem Geimpfte schon im Impfzentrum oder beim Arzt mittels Barcode ein digitales individuelles Zertifikat bekommen. Das Zertifikat bekommt von der App eine individuelle Kennung sowie einen QR-Code zur Verifizierung. Neben der Impfung soll das System auch eine bestätigte Genesung erfassen können. Ein Test, etwa vor einem Reiseantritt, wäre so ebenfalls nachweisbar.

Den gelben Impfpass müssen Nutzer der App aber weiter behalten. Erst 2022 ist ein digitaler Impfpass geplant, der alle Impfungen umfasst. Der soll dann auch fälschungssicher sein.