Dieser Sommer ist heiß, ja, das stimmt. Während die einen die Hitze beklagen und die anderen sich im Wasser vergnügen, gibt es andere, für die ist der Sommer die Hölle.
In der allergrößten Hitze werden in Deutschland und Europa noch immer Millionen von Schlachttieren tagelang durch die Gegend gekarrt. An den Grenzen stehen sie bei über 40 Grad Celsius in der Sonne, oft seit Stunden oder Tagen nicht gefüttert oder getränkt, bevor es nach endloser Qual in den Schlachthof geht. Tierschutz sieht anders aus.

Seit 20 Jahren hat der Tierschutz in Deutschland Verfassungsrang. In Artikel 20a des Grundgesetzes steht, dass der Staat die natürlichen Lebensgrundlagen schützt – und die Tiere. Diese Ergänzung war im Zug der Verfassungsdiskussionen nach dem Mauerfall eingefügt worden. Man subsumierte die Tiere erstmalig nicht als Objekte unter die menschlichen Lebensgrundlagen, sondern billigte ihnen eigene Gefühle und Leidensfähigkeit zu.
Genutzt hat das offenbar wenig, schon gar nicht bei den sogenannten Nutztieren. Es war dieser Tage, da verlangte Niedersachsen eine längere Übergangsfrist zum Transport von sehr jungen Kälbern.
Wer kontrolliert die Vorgaben?
Vor einem Jahr hatte der Bundesrat erklärt, dass ab Januar 2023 Kälber für den Transport mindestens 28 Tage alt sein müssen. Bislang genügen gerade mal 14 Tage. Da werden Tiere, die noch Milch trinken müssten, also kein Wasser, in Mastbetriebe gebracht, die oft hunderte Kilometer weit weg liegen. Tränken unterwegs? Kaum möglich, und kontrolliert nicht.
Wie passt das mit dem Staatsziel zusammen? Gar nicht, und in der Europäischen Union rollen weiter die Tiertransporte, von hilflosen Tierschützern begleitet, die nicht mehr tun können, als das Elend zu dokumentieren.
Gewiss, einige Dinge wurden in Deutschland erreicht. Das unsägliche Kükenschreddern wurde verboten, es sind neue Tests auf dem Weg, die das Geschlecht des Kükens schon im Ei bestimmen sollen. Aber jahrzehntelang ging es zu zäh voran.
Der früheren CDU-Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner eilte der Ruf voraus, ihr Ohr im Zweifel immer nah an den großen Bauernverbänden und Massentiererzeugern zu haben. Die Handelsketten führten eine Haltungskennzeichnung ein, nicht die Ministerin.
Grünen-Nachfolger Cem Özdemir will das nun endlich Pflicht werden lassen. Außerdem plant er Investitionshilfen für Bauern, die in der Zwickmühle zwischen Preiserhöhungen, Formularkram, Preisdruck der Handelsketten und fleischhungrigen Verbrauchern stecken. Wunderbar – einfach mal machen! Die Bauern müssen planen und tiergerechte Ställe finanzieren können.
Und Verbraucher müssen ihre Arbeit honorieren. Auf den Grills brutzeln heute Jackfruit, Veggie-Hamburger und Grillkäse. Aber denkbar ist noch vieles mehr: gesenkte Mehrwertsteuer auf Gemüse, volle Mehrwertsteuer auf Fleisch. Verbot der untersten Haltungsstufe 1 nach einer Übergangsfrist. Veggie-Days gibt es inzwischen in vielen Kantinen, ohne dass deshalb die Welt untergegangen wäre.
In einer Umfrage erklärten jüngst etwa 70 Prozent der Befragten, wegen der hohen Spritpreise weniger Auto zu fahren. Da wäre es doch auch denkbar, beim Fleisch weniger und dafür Besseres zu essen, wenn das Tier dafür in seinem Leben öfter mal Sonne gesehen und frische Luft geatmet hat und genügend Platz hatte. Es geht hier nicht um Bevormundung, sondern um Mitgefühl.
Bloß keine Rückschritte machen!
Fatal wäre es jetzt, wenn man mit dem Hinweis auf den Ukraine-Krieg und die happige Inflation Rückschritte beim Tierschutz machen würde. Der Krieg hat gerade gezeigt, wie wichtig es ist, dass Deutschland sich selbst versorgen kann.
Dass Nutztiere so leiden müssen, ist des 21. Jahrhunderts und unseres Landes unwürdig, vom Klimaschutz und dem Hunger in der Welt gar nicht zu reden. Schweinebauern geben auf, stattdessen kommt noch billigeres Fleisch aus dem Ausland. Wenn sich daran nichts ändert, bleibt der Tierschutz in unserem Grundgesetz eine Farce.