Um zu verstehen, vor welchen Herausforderungen die gesetzliche Rentenversicherung steht, genügen einige wenige Zahlen. 1960 bezog ein Rentner in Deutschland im Schnitt 9,9 Jahre Rente, ehe er starb, heute sind es (zum Glück) volle zwei Jahrzehnte. 1960 finanzierten sechs Beschäftigte mit ihren Beiträgen die Rente für einen Rentner. Heute müssen 1,8 Arbeitnehmer für einen Ruheständler aufkommen. Im nächsten Jahr wird der Bund 112 Milliarden Euro an die gesetzlichen Rentenkassen überweisen, das entspricht knapp einem Viertel des Bundeshaushalts.

Dass die gesetzliche Rente vor diesem Hintergrund nicht viel mehr sein kann als eine Mindestabsicherung, muss jedem jungen Menschen klar sein, der jetzt ins Berufsleben einsteigt.

Es bräuchte weitere Reformschritte. Die Vorschläge liegen auf dem Tisch, werden in anderen Ländern bereits praktiziert: Mehr Anreize oder sogar ein Zwang zur privaten und betrieblichen Vorsorge oder die Kopplung des Rentenalters an die Lebenserwartung. Wir stellen einige Beispiele vor.

Schweiz: Millionäre in der Pflicht

Das Rentensystem in der Schweiz fußt auf drei Säulen: In die sogenannte Alters- und Hinterbliebenenversorgung muss jeder Erwachsene, der in der Schweiz lebt oder arbeitet, einzahlen. Sie basiert wie in Deutschland auf dem Umlageverfahren: Die arbeitende Generation und deren Arbeitgeber finanzieren die Renten der aktuellen Rentnergeneration.

Dazu kommen eine verpflichtende, als vorbildlich geltende berufliche Vorsorge, die Betriebe und Beschäftigte mit einem Jahresgehalt von mehr als 21.500 Euro ebenfalls gemeinsam finanzieren und eine freiwillige private Vorsorge, die von Pensionskassen, Fonds und Versicherungen angeboten wird und ähnlich funktioniert wie die Riester-Rente. Einzahlungen in die einzelnen Kassen können die Schweizer komplett von ihrem zu versteuernden Einkommen abziehen.

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Die ersten beiden Säulen sollen im Alter zu einer Rente von etwa 60 Prozent des letzten Lohnes führen. Um dieses Ziel nicht zu verfehlen, haben die Schweizer im September in einer Volksabstimmung beschlossen, das Rentenalter für Frauen von 64 auf die für Männer bereits geltenden 65 Jahre anzuheben und die Mehrwertsteuer von 7,7 auf 8,1 Prozent zu erhöhen.

Sie soll zusätzliches Geld in die Rentenkasse schaufeln. Der Schritt ist nötig, weil geburtenstarke Jahrgänge das Rentenalter erreichen und die Lebenserwartung steige – ähnlich wie hierzulande also.

Österreich: Zwei Monate extra

Weihnachts- und Urlaubsgeld auch für Rentner? In Österreich eine Selbstverständlichkeit. Hier erhalten die Versicherten der gesetzlichen Rentenkasse nicht nur zwölfmal im Jahr ihre Rente, sondern im April und im Oktober noch eine volle Rente obendrauf. Auch deshalb sind die Österreicher im Schnitt besser abgesichert als ihre Nachbarn in Deutschland.

Je nach Erwerbsbiografie geht ein Rentner dort nicht nur früher in Rente, er hat auch mehr Geld zur Verfügung als ein vergleichbarer Rentner in Deutschland. Nach einer Studie des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages liegt die Diskrepanz bei bis zu 800 Euro im Monat für einen Durchschnittsverdiener. Diese Sicherheit hat jedoch ihren Preis, vor allem für die Wirtschaft des Landes.

Der Beitragssatz zur Rentenkasse liegt zwar seit Jahrzehnten konstant bei 22,8 Prozent, aber eben auch deutlich über den 18,6 Prozent in Deutschland. In Österreich übernehmen die Arbeitgeber mit 12,55 Prozent dabei einen deutlich höheren Anteil als ihre Beschäftigten mit 10,25 Prozent.

Anders als in Deutschland, wo Beamte, Selbstständige und Politiker außen vor bleiben, zahlen in Österreich alle Erwerbstätigen in die Rentenversicherung ein, auch Abgeordnete. Für die meisten Versicherten ist sie auch die einzige Alterskasse – flankierende Modelle wie die berufliche oder eine geförderte private Vorsorge gibt es kaum.

Niederlande: Cappuccino-Modell

Schlittschuhlaufen auf Amsterdams historischem Prinsengracht-Kanal.
Schlittschuhlaufen auf Amsterdams historischem Prinsengracht-Kanal. | Bild: PATRICK POST

Das Rentensystem in den Niederlanden wird gerne als Cappuccino-Rente bezeichnet: Eine staatliche Grundrente ist danach der Kaffee, die Betriebsrente das Sahnehäubchen darüber und die private Vorsorge der Kakao obendrauf. In internationalen Vergleichen belegen die Niederlande so regelmäßig vordere Plätze. Im Schnitt erhält ein Rentner dort 80 Prozent des letzten Nettoeinkommens als Rente.

Die Grundrente, finanziert aus Beiträgen der Beschäftigten und staatlichen Zuschüssen, erhält jeder Holländer unabhängig von seiner Bedürftigkeit und seinen Beitragszahlungen. Das heißt: Auch Menschen, die ihr Leben lang keinen Cent in das System einbezahlt haben, haben Anspruch auf die Grundrente, deren Höchstsatz für einen Alleinstehenden bei etwas mehr als 1200 Euro im Monat liegt. Die Arbeitgeber zahlen in diesen Topf nicht mit ein.

Die betriebliche Altersvorsorge. In den Niederlanden ist keine freiwillige Leitung des Arbeitgebers, sondern Pflicht. Die Beiträge teilen sich der Betrieb und seine Beschäftigten. In seltenen Fällen kann das sogar dazu führen, dass jemand als Rentner mehr Geld zur Verfügung hat als er im Beruf verdient hat. Wie in Österreich fallen solche Leistungen allerdings auch in den Niederlanden nicht vom Himmel. Um das System dauerhaft finanzieren zu können, soll das Rentenalter bis zum Jahr 2046 von gegenwärtig 66 auf 71 Jahre angehoben werden.

Schweden: Zehn Prozent Rendite

Vielen Rentenreformern gilt Schweden als Vorbild. Dort fließen 16 Prozent des Bruttogehaltes in eine gesetzliche Rente, die mit der deutschen vergleichbar ist. Weitere 2,5 Prozent wandern in die so genannte Prämienrente – genauer: in einen von mehreren Hundert staatlich zertifizierten Fonds, die mit dem Geld der Versicherten am Kapitalmarkt arbeiten.

Wer sich für keinen dieser Fonds entscheidet, landet automatisch in einem staatlichen Rentenfonds, der in 3000 Aktien investiert und dank winziger Gebühren Renditen von mehr als zehn Prozent im Jahr erwirtschaftet, also deutlich mehr als vergleichbare Riester-Fonds in Deutschland. Vor allem in der Ansparphase müssen Anleger mit starken Kursschwankungen rechnen, ab einem Alter von 55 Jahren schichten die Fonds dann in festverzinsliche Anlagen um, um das Ersparte fürs Alter abzusichern. Anders als Riester ist die Prämienrente verpflichtend.

Außerdem kommen in Schweden mehr Menschen als in Deutschland in den Genuss einer Betriebsrente. Aufgrund der hohen Tarifbindung sind 90 Prozent der Beschäftigten noch über betriebliche Versorgungswerke abgesichert. Den Preis dafür zahlen vor allem die Unternehmen, deren Beiträge zur Absicherung ihrer Mitarbeiter deutlich höher sind als die der deutschen Wirtschaft. Für die Absicherung nach unten sorgt eine Art Grundrente von umgerechnet 850 Euro für Alleinstehende.

Dänemark: Der Fiskus zahlt mit

Die dänische Flagge weht an einem Ferienhaus in Henne Strand.
Die dänische Flagge weht an einem Ferienhaus in Henne Strand. | Bild: Tim Brakemeier

In Dänemark wird die staatliche „Folkepension“ nicht wie in anderen Ländern aus Beiträgen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern finanziert, sondern aus Steuern. Dafür muss sie umgekehrt aber auch versteuert werden, je nach Gemeinde mit bis zu 40 Prozent. Der Höchstsatz der „Folkepension“ für einen Alleinstehenden mit 40 Berufsjahren liegt gegenwärtig bei gut 1800 Euro monatlich, Paare erhalten jeweils knapp 1400 Euro.

Abhängig von den Tarifverträgen zahlen Betriebe und Beschäftigte zwischen zwölf und 15 Prozent des Einkommens in eine Zusatzrente ein, wobei das Unternehmen in der Regel zwei Drittel der Beiträge übernimmt und der Mitarbeiter ein Drittel.

Dazu kommt noch eine so genannte Zusatzpension, die für jeden Beschäftigten, der älter als 16 Jahre ist und mehr als neun Stunden pro Woche arbeitet, verpflichtend ist. Angesichts der niedrigen Beiträge, die Arbeitgeber und Arbeitnehmer dafür abführen, sind diese Zusatzrenten aber nicht mehr als ein „Zuckerl“, das die beiden anderen Renten noch etwas versüßt.

Damit die demografischen Probleme dem Land nicht über den Kopf wachsen, hebt auch Dänemark das Rentenalter von gegenwärtig 67 Jahren schrittweise an. Alle fünf Jahre soll es an die steigende Lebenserwartung angepasst werden, was nach ersten Hochrechnungen im Jahr 2100 zu einem Eintrittsalter in die Rente von 77 Jahren führen würde