In der Debatte um eine deutsche Unterstützung der ukrainischen Armee mit Waffen und Ausrüstung bleibt eine Tatsache unterbelichtet: dass Berlin nicht in der Lage ist, Wünsche zu erfüllen, selbst wenn man das wollte. Zwar war Deutschland zwischen 2016 und 2019 mit einem Anteil von 4,4 Prozent der fünftgrößte Waffenexporteur der Welt. Doch die Bundeswehr profitiert vom Rüstungsgeschäft wenig. Hier gehört der Kampf gegen den Mangel zum Truppenalltag.
Wunschliste wird „geprüft“
Hat Kiew falsche Vorstellungen von den deutschen Fähigkeiten, die Mängel der ukrainischen Armee zu beheben? Was auf der Kiewer Wunschliste steht, die immer mal wieder zitiert wird, ist nach wie vor nur im Berliner Verteidigungsministerium bekannt. Dort unterzieht man sie, wie es heißt, einer „Prüfung“. Aber die zieht sich hin.
Andrij Melnyk, der Ukraine-Botschafter in Berlin, hatte schon vor Längerem eine der Bitten um Hilfe präzisiert: Es ginge, sagte er, in erster Linie um deutsche Kriegsschiffe, „die wir für die Verteidigung der langen Küste im Schwarzen und Asowschen Meer dringend brauchen“. Ursache der Lücken: Die Ukraine verlor 2014 bei der russischen Besetzung der Krim laut US-Angaben 70 Prozent seiner Flotte.

Mit Schiffen werden die Deutschen kaum aber helfen können. Die Marine hat in puncto Schiffsraum selbst zu wenig Wasser unterm Kiel. Auch bei den kleineren Einheiten. Die Beschaffung der für die Seeaufklärung vorgesehenen Flottendienstboote der Klasse 424 wurde erst im Juni 2021 vom Haushaltsausschuss des Bundestags genehmigt und läuft nun an. Die drei Vorgängerboote aus Zeiten des Kalten Krieges müssen bis mindestens 2027 durchhalten. Daneben wartet die Marine auf neue Korvetten und Tankversorger.
Botschafter Melnyk sprach auch von einem „riesigen Bedarf“ an Luftabwehrsystemen. Aber auch bei dieser Technik, an der deutsche Konzerne arbeiten, ist nichts zu holen. Die Bundeswehr führte vor mehr als 30 Jahren das Flugabwehrraketensystem Patriot ein, und es ist mittlerweile veraltet. Über Ersatz wird seit Jahren debattiert. Vor Mitte des Jahrzehnts wird das neue Taktische Luftverteidigungssystem (TLVS) nicht bei der Truppe sein.
Selbst die Munition ist knapp
Während die Amerikaner bereits 1000 Tonnen Munition in die Ukraine geflogen haben, könnte die Bundeswehr noch nicht einmal von ihren Sturmgewehr-Patronen etwas entbehren. Für die Auffüllung der leeren Munitionsdepots rechnet Generalinspekteur Eberhard Zorn mit einem Bedarf von 20 Milliarden Euro.
Einem nackten Mann kann man nicht in die Tasche greifen. Das gilt auch für die vor einiger Zeit vorgelegte ukrainische Anfrage nach Splitterschutzwesten. Da musste Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) nach einer ersten Inventur passen und schickte 5000 Helme aus Altbeständen.
Immerhin ist der Stoffüberzug dabei
Die Ausstattung der Truppe mit dem Nachfolgemuster kommt laut der Insider-Plattform „augengeradeaus.net“ so langsam voran, dass manche Soldaten ihren neuen Helm selbst bezahlen. Immerhin erhalten die Ukrainer die Helme mit Stoffüberzug im Fünffach-Flecktarnmuster.
Der frühere Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels (SPD) meint, dass die Bundeswehr mehr an die Ukraine abgeben könnte „als die peinlichen 5000 Helme“. In der Tat gibt es bei nicht-tödlicher Ausstattung einen Spielraum: Bartels nennt die gepanzerten Fahrzeuge Dingo 1 und 2 sowie Nachtsicht- und Funkgeräte.

Etliche Fahrzeuge wie der Dingo, der auch für den Verwundetentransport geeignet ist, sind aus Afghanistan zurückgekommen und stehen in den Kasernen bereit. FDP-Verteidigungsexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann könnte sich eine Lieferung von Dingos, wie sie sagte, „sehr gut vorstellen“.
Ansonsten scheint man in Berlin eher ratlos. Von der eventuell möglichen Lieferung von Nachtsichtgeräten aus den Beständen der Truppe ist zwar die Rede, aber Zahlen werden keine genannt. Auf der von der Ukraine vorgelegten Wunschliste sei „das eine oder andere, was man sich genauer anschauen kann“, hieß es in Berlin. Besonders hoffnungsvoll für Kiew klingt das nicht.