Fabian Hambüchen, wie sieht Ihr Leben nach der Goldmedaille von Rio aus?
Stand jetzt ist, dass ich immer noch nicht im Urlaub war. Es ist ein Terminmarathon pur. Ich habe mein Sportstudium in Köln wieder aufgenommen. Für die KTV Obere Lahn habe ich noch in der Bundesliga geturnt.
Sehnen Sie sich nach weniger Terminen?
Ich könnte dicht machen und sagen, dass ich meine Ruhe haben will. Wir sprechen hier aber vom Turnen und nicht vom Fußball. Ich muss jetzt die Chance nutzen, Profit aus Olympia-Gold zu schlagen.
Sie schauen, dass Sie, solange Ihr Name in den Medien und in der Öffentlichkeit präsent ist, damit Geld verdienen...
Ich bin nicht mehr der Sportler, der die nächsten Olympischen Spiele im Visier hat. Finanziell ist das jetzt die Chance, etwas zur Seite legen zu können. Ich werde nie ausgesorgt haben. Ich will später arbeiten, mache mein Studium weiter. Natürlich sagen mein Management und ich Sachen ab. Wenn eine Anfrage vom Dschungel-Camp käme, ist von Klaus Kärcher und von mir aus klar, dass ich das nie machen würde. Momentan nehme ich alles mit: Goldene Henne, Bambi, Sportlerwahl. Sind super schöne Events, aber da verdiene ich ja nichts.
Nichts?
Es ist ein Trugschluss zu denken: Nur wenn ich über den roten Teppich laufe, bekomme ich einen Haufen Geld dafür. Bei den Terminen, bei denen ich nicht gesehen werde, verdiene ich mehr.
Zum Beispiel?
Ich halte Vorträge über mentales Training oder Motivation. Die Leute hören mir gerne zu. Ich will helfen. Das weitergeben, was ich gelernt habe. Damit andere Menschen mit Stress klarkommen. Als Leistungssportler stand ich über lange Jahre ständig unter Druck.
Der Druck hat sich nach dem Olympiasieg in Rio bei Ihnen innerhalb von Sekunden gelöst, oder?
Die Phase kurz vor dem Wettkampf, egal, welcher es war, war so nervenzehrend und anstrengend. Dann ist Olympia vorbei und ich denke: Super, es wird lockerer. Und plötzlich stehe ich bei „Schlag den Star“, und mir geht bei einer Spielshow genauso die Muffe. Beim Turnen weiß ich, was ich kann. Im Duell mit Bülent Ceylan wusste ich nicht, was auf mich zukommt und ob ich bei dem oder dem Spiel total blöd aussehe.
Und dann gewinnen Sie 100 000 Euro. Was haben Sie mit dem Geld gemacht?
Noch gar nichts. Ich habe die 100 000 Euro zur Seite gelegt, um damit später mal ein Haus zu bauen, eine Familie ernähren zu können und Kindern etwas zu ermöglichen.
Dann reden wir doch kurz über Sie und Ihre Freundin Marcia. Haben Sie schon Hochzeitspläne?
Nachdenken kann man, aber Pläne haben wir nicht. Wir sind jetzt eineinhalb Jahre zusammen und beide noch voll im Studium. Wenn ich heirate, dann will ich die Zeit dazu haben und den Moment in vollen Zügen genießen.
Was wünschen Sie sich fürs neue Jahr?
Mehr Zeit mit Freunden und der Familie, das ist ein großer Wunsch. Vielleicht einen Kachelofen für den Winter. Und Ruhe. Die kommt aber von alleine, weil der öffentliche Fokus irgendwann auf den Olympischen Winterspielen in Südkorea und der Fußball-WM in Russland liegen wird.
Sie gelten als Verfechter einer besseren finanziellen Leistungssportförderung. Was halten Sie davon, die Höhe der Zuschüsse primär an Ergebnissen bei großen Meisterschaften festzumachen?
Es wird viel zuviel auf die Auswertung irgendwelcher Computerprogramme geachtet. Wir sind aber Menschen und keine Objekte. Wir trainieren jeden Tag. Und die Leute, die Statistiken ans Ministerium schicken, haben nichts damit zu tun. Ich finde es schade, nur anhand von Erfolgen gemessen zu werden. Der Ansatz bei der Förderung ist goldrichtig. Die Frage ist, wie setzt man das um. Das Wichtigste ist der Dialog mit dem Sportler und dem Trainer. Letztlich haben wir alle das gleiche Ziel: Wir Deutsche wollen bei den nächsten Olympischen Spielen wieder erfolgreich sein.
Spüren Sie, dass Sie mit Ihrer Meinung gehört werden?
IOC-Präsident Thomas Bach hat mich angerufen, nachdem ich im „Focus“ das Fördersystem kritisiert habe, und mir alles aus seiner Sicht erklärt – auch mit dem Doping in Russland. Ich möchte nicht in seiner Haut stecken. Wenn du entscheiden musst: Sperrst du eine Nation, ohne zu wissen, ob jeder einzelne gedopt hat? Für Sportler ist Olympia das Größte. Ich werde im Frühjahr nach Lausanne fahren und mich mit Thomas Bach unterhalten, wie wir gemeinsam den Kampf gegen Doping angehen können.
Starten Sie 2017 noch einmal in der Bundesliga für die KTV Obere Lahn?
Ich bleibe bei der KTV. Es wird ein schlagkräftiges Team – egal, wieviel ich turne. Mit Lukas Dauser kommt ein Topmann dazu. Das Finale ist drin.
Gleichzeitig basteln Sie fleißig an der Karriere nach der Sportlerlaufbahn. Wie sehen die Pläne konkret aus?
Letztendlich habe ich mir drei Optionen zurechtgelegt. Erstens könnte ich in den Trainer-Lehrer-Bereich in Wetzlar einsteigen. Ich kann mir vorstellen, dass, wenn mein Papa in dreieinhalb Jahren in Rente geht, wir einen vernünftigen Übergang finden. Zweitens könnte ich im Management bei Klaus Kärcher mitarbeiten. Ich betreue Lukas Dauser und Turnkollegin Tabea Alt jetzt schon. Oder es geht in Richtung Medien. Das alles überlege ich mir in der Zeit, in der ich studiere.
Wie lange brauchen Sie noch bis zum Abschluss?
Zwei, drei Semester wird es noch dauern, dann mache ich meinen Bachelor an der Sporthochschule Köln.
Fragen: Volkmar SchäferZur Person
Fabian Hambüchen wurde am 25. Oktober 1987 in Bergisch Gladbach geboren. Der 1,63 Meter große Turner ist ledig und lebt mit seiner Freundin Marcia in Koblenz. Er ist Student an der Sporthochschule in Köln. Seine größten Erfolge: Weltmeister 2007, Olympia-Dritter 2008, Olympia-Zweiter 2012, Olympiasieger 2016 am Reck.