Das 800-Seelen-Dorf Gutmadingen hat so einiges zu bieten. In dem Ortsteil der Stadt Geisingen, idyllisch an der jungen Donau gelegen, wurde bis in die 1940er-Jahre nach Eisenerz gegraben, in der Bruderschaftskapelle Maria Trost wird eine Schwarze Madonna verehrt – und zu den bekanntesten Söhnen der einst eigenständigen Gemeinde gehört der Geschäftsführer des viertgrößten deutschen Fußballvereins.

Alle zwei Monate zurück in der alten Heimat

„Heimat ist für mich da, wo die Menschen sind, die mir wichtig sind. Am allerwichtigsten ist mir meine Familie, und die wohnt nun mal in Gutmadingen“, sagt Christian Keller, der seit knapp drei Jahren beim 1. FC Köln das sportliche Sagen hat. Alle zwei Monate setzt sich der 46-Jährige ins Auto und fährt aus dem Rheinland nach Südbaden zu seinen Eltern, seinen Freunden und zu seinem jüngeren Bruder Andreas, der den Verbandsligisten SC Pfullendorf trainiert. „Wenn die Mannschaft meines Bruders spielt, dann schaue ich dort natürlich vorbei“, sagt Christian Keller.

Bei einer seiner jüngsten Stippvisiten im Oktober war er im Linzgau beim Derby gegen den Türk. SV Singen. Mit dessen Coach Ali Günes spielte der Wahl-Kölner einst gemeinsam in der Jugend des TuS Bräunlingen. „Entspannt sind die Tage zwar nicht, da alles durchgetaktet ist, schön ist es trotzdem immer wieder“, sagt Keller über die Besuche in der Heimat. Dort, wo alles begann.

Keller-Brüder sind begeisterte Fußballer

Die Gutmadinger Keller-Brüder Christian und Andreas sind begeisterte Fußballer. „Das ist mein allerliebstes Spiel. Nach der Schule haben wir immer gekickt, bis es dunkel wurde. Auf der Straße, dem Bolzplatz, im Verein“, erzählt Christian, der wie so viele Jungs von einer Profikarriere träumt, mit 18 Jahren aber wegen einer schweren Knieverletzung mit dem aktiven Sport aufhören muss. „Ich war ein sehr ordentlich talentierter Fußballer, der im Amateurbereich recht hoch hätte spielen können, zu mehr hätte es aber nicht gereicht“, sagt er heute realistisch. „Ich war gut, aber zwischen mir und Ali Günes war zum Beispiel schon noch ein großer Unterschied.“

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Und doch haben es die beiden Schwarzwälder mit großem Erfolg in den bezahlten Fußball geschafft: Günes auf dem Rasen als türkischer Nationalspieler, Keller am Schreibtisch als Manager und, was viele nicht wissen, auch als Trainer an der Seitenlinie.

Beim Heimatverein an der Seitenlinie

Als feststeht, dass er nicht mehr selbst spielen kann, „war das wie ein Stich ins Herz, mit dem ich lange zu kämpfen hatte“, gibt Keller zu. Da ein Leben ohne Fußball für ihn aber nicht vorstellbar ist, lässt er sich schnell zu einem Trainerjob bei seinem Heimatverein FC Gutmadingen überreden. „Die Jahrgänge 1989 und 1990 waren sehr geburtenstark, so waren wir in der Lage, eine komplette Fußballmannschaft auf dem Kleinfeld zu bilden. Ich habe sie von den Bambini bis zur D-Jugend trainiert“, sagt Christian Keller.

Einige seiner damaligen Schützlinge haben den Verein als Aktive später von der Kreisliga B bis in die Landesliga geführt. Noch heute tragen Claudius Hirt sowie Benjamin und Manuel Huber, „die Gutmadinger Sturmlegende“, so Christian Keller, das gelb-schwarze Trikot.

Keller (links) im Juni 2024 bei der Vorstellung des neuen Trainers Gerhard Struber.
Keller (links) im Juni 2024 bei der Vorstellung des neuen Trainers Gerhard Struber. | Bild: IMAGO/Revierfoto

Während seine Kicker – nach der Jugend trainiert der A-Lizenz-Inhaber auch die Aktiven des SC Tuttlingen und des FC Gutmadingen – von einem Erfolg zum nächsten eilen, führt die akademische Laufbahn des Einser-Schülers Christian Keller steil nach oben. Mit Anfang 30 hat er bereits an der Universität Tübingen promoviert und lehrt an der SRH Hochschule in Heidelberg. „Ich habe das große Glück, dass mir das Lernen leichtfällt. Zum Musterschüler fehlt mir aber eine Komponente“, sagt Keller und lacht: „Mein Betragen hätte besser sein können.“

Auch wenn er als Student nicht darüber nachdenkt, einmal eine Managementrolle oder einen Chefposten im Profifußball zu bekommen, begleitet der Sport ihn stets. „BWL bleibt BWL. Ob ich ein Vermarktungskonzept für einen Automobilkonzern schreibe oder für einen Fußballclub – die Grundlagen sind die gleichen“, sagt Keller. „Ich wollte damals einfach meine Arbeiten zu einem Thema schreiben, das meine große Leidenschaft ist.“

Nach einer ersten beruflichen Station als Strategieberater heuert der Gutmadinger von 2013 bis 2021 als Geschäftsführer beim SSV Jahn Regensburg an, den er von der Regionalliga Bayern bis in die 2. Bundesliga führt und dort etabliert. Seit 2022 hat er diese Funktion nun beim dreifachen deutschen Meister und viermaligen DFB-Pokalsieger in Köln inne.

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Nach dem bitteren Abstieg im vergangenen Sommer und einem durchwachsenen Saisonstart steht der mit über 142.000 Mitgliedern viertgrößte deutsche Fußballverein inzwischen an der Spitze einer hochattraktiven 2. Bundesliga. Für die Mehrheit der Fans gehören Traditionsvereine wie der HSV, der FC Schalke 04, Hertha BSC und der 1. FC Kaiserslautern ins Oberhaus.

Aufstieg hat für Köln Priorität

Und natürlich der 1. FC Köln, der so „schnell wie möglich wieder aufsteigen“ will, wie Geschäftsführer Keller erklärt. Den ständigen Erfolgsdruck im medialen Fokus der Rheinmetropole sieht der 46-Jährige als „Teil der Aufgabe. Ich würde es aber auch ohne die große öffentliche Aufmerksamkeit aushalten. Der Sturm ist gerade etwas abgeebbt, der Abstieg hatte meinen Popularitätsgrad nicht gerade gesteigert“, sagt der Kölner Keller.

Christian Keller, Geschäftsführer des 1. FC Köln, als Pappfigur auf einem Persiflagewagen am Rosenmontag 2024.
Christian Keller, Geschäftsführer des 1. FC Köln, als Pappfigur auf einem Persiflagewagen am Rosenmontag 2024. | Bild: IMAGO/Guido Schiefer

In der Öffentlichkeit werde ohnehin meist nur der sportliche Erfolg gesehen – und der hat sich am Geißbock-heim inzwischen wieder eingestellt. Auch dank der guten Arbeit des neuen Trainers Gerhard Struber, wie dessen Chef Christian Keller betont. „Wir haben wieder eine Mannschaft, die daran glaubt, dass man mit der Art, wie wir Fußball spielen, auch gewinnen kann. Das hatten wir in der Vorsaison irgendwann verloren. Über dieses Selbstverständnis für das eigene Tun gewinnt man auch Selbstvertrauen“, sagt er. „Gerhard und sein Team haben neue Impulse reingebracht und die Köpfe der Spieler freier gemacht.“

Zweitligist hat große Aufgaben vor sich

Der Monat Februar ist ein wichtiger auf dem weiteren Weg der Kölner in dieser Saison. Nach dem Drama im DFB-Pokal-Viertelfinale beim Meister, Pokalsieger und Nachbarn Bayer Leverkusen (2:3 n.V.) empfängt der Effzeh zunächst die Schalker, spielt dann beim Überraschungsdritten Magdeburg, ehe Fortuna Düsseldorf zum Derby kommt. Wochen der Wahrheit? Nicht für Keller. „Das nächste Spiel ist immer das wichtigste. Damit ich nichts ins Phrasenschwein werfen muss, nenne ich es das Beppo-Prinzip“, erklärt er.

Im Buch Momo von Michael Ende erklärt der Straßenfeger Beppo, wie er eine schier unüberwindbare Aufgabe Schritt für Schritt in kleinen Teilen erledigt bekommt. „Das ist auch für uns eine gute Herangehensweise. Wir wollen die jeweils nächste Aufgabe bestmöglich machen“, sagt Christian Keller, der natürlich am liebsten schon im kommenden Jahr wieder in Liga eins gegen den SC Freiburg, dem er früher die Daumen gedrückt hat, spielen würde.

Dann könnte er die Auswärtsfahrt nach Südbaden mit einem Besuch bei Freunden und Familie verbinden. In seinem schönen Heimatdorf Gutmadingen an der jungen Donau.