Noah Atubolu ist eigentlich eine coole Socke. Gerade mal 22 Jahre alt hat der Torwart des SC Freiburg alle bösartigen Kommentare ignoriert, die ihm in der vergangenen Saison, seiner ersten als Stammkeeper, zuteilgeworden waren. Er hat beharrlich trainiert, an sich gearbeitet, mehrfach auch mit Zusatzeinheiten.
Er hat in Punktspielen immer öfter zu Null gespielt, natürlich in sich stetig steigernder Zusammenarbeit mit seinen Vorderleuten. Er hat in jugendlicher Unbekümmertheit, die sich der gebürtige Freiburger zum Glück bewahrt hat, in erfrischenden Interviews seinen Leistungssprung als schiere Normalität beschrieben und vermutlich gar nicht registriert, dass sich die Pöbler in den verschiedenen Social-Media-Kanälen beruhigten. Und dann das!
Ein Eckball leitet das 0:2 ein
Samstagnachmittag, die 54. Minute im Spiel gegen den FC Bayern München. Joshua Kimmich brettert einen Eckball mit Schärfe in den Fünfmeterraum, Atubolu will den Ball wegboxen, doch Bayern-Innenverteidiger Kim läuft ihm vor die Nase und plötzlich liegt die Kugel im Freiburger Tor – das 0:2. Während sich der koreanische Nationalspieler von seinen Münchner Kollegen herzen lässt, tobt der Sport-Club-Torhüter. Er fühlt sich von Schiedsrichter Daniel Siebert nicht nur alleingelassen, er fühlt sich in diesem Augenblick vom Referee betrogen.
„Es war ein klares Foulspiel von Kim“, erklärt Atubolu später neugierigen Reportern, „Kimmich hat den Ball mit Absicht scharf nach innen gezogen, wenn ich nichts getan hätte, wäre er ins Tor gegangen. Es war also ein Schuss und ich wurde behindert.“ Das müsse doch abgepfiffen oder vom Schiedsrichter zumindest auf dem Monitor noch mal angeschaut werden. „Der Kimmich hat mich in dem Moment, als ich abspringen will, mit dem Arm ins Tor gedrängt, da habe ich das Gleichgewicht verloren.“ Der Kimmich? „Nein, der Kim natürlich, oje“, korrigiert sich Atubolu. Er ist sauer, es brodelt heftig in ihm.
Zweiter Gegentreffer wird zur Vorentscheidung
Das Dumme daran ist nur, dass der 22-Jährige im Freiburger Kasten von nirgendwoher Unterstützung bekommt. Weder von den Teamkameraden noch von seinem Trainer und von den Münchner Kickern schon gleich gar nicht. Maximilian Eggestein will auf dem Spielfeld die Szene nicht richtig gesehen haben, Matthias Ginter spricht immerhin von einer „fifty-fifty-Situation“ und SC-Coach Julian Schuster merkt an, es habe gewiss einen Kontakt gegeben, „keinen großen, aber so etwas ist auch schon als Foulspiel gepfiffen worden“. Überzeugung, dass Schiri Siebert daneben lag, hört sich anders an.
Am Ende verweigern auch noch die TV-Bilder dem Freiburger Keeper Entlastung und das Gegentor bleibt an ihm hängen. So etwas darf man Künstlerpech nennen, denn es ist die Vorentscheidung.
Die Diskussion um das zweite Bayern-Tor überlagert alles. Es drängt andere Ereignisse dieses Nachmittags in den Hintergrund. Wann zuletzt war ein gesunder Christian Günter nicht in der Startelf? Wann zuletzt blieb der Kapitän gar 90 Minuten auf der Bank?
„Die Änderungen in der Anfangsformation haben sich durch die Leistungen zuletzt ergeben“, klärt Trainer Schuster auf und meint damit auch das Banksitzen von Vincenzo Grifo. Der darf immerhin nach 77 Minuten den blass gebliebenen Eren Dinkci ersetzen und sein Tatendrang entlässt die SC-Fans im Zweifel nach Hause, ob es nicht doch klüger gewesen wäre, zumindest in dieser Personalie anders zu entscheiden. Einer aber geht auf jeden Fall mit dem Gefühl von dannen, dass eine andere Herangehensweise in der 54. Minute besser gewesen wäre – Noah Atubolu.