Die Schweizer gelten gemeinhin als eher reserviertes, stilles Völkchen. Seit dem Viertelfinaleinzug gegen Frankreich muss dieses Bild wohl noch einmal überdacht werden. Nach der dramatischen Partie spielten sich überall in der Schweiz unglaubliche Szenen ab. Wie im französischsprachigen Genf, wo Autos voller hupender und entfesselt jubelnder Fans durch die Stadt fuhren und die Nacht zum Tag machten.
„Fußball-Wunder geschehen!“
Und die eher für einen nüchternen Tonfall bekannte „Neue Zürcher Zeitung“ titelte in plakativen Schlagzeilen „Unglaublich, aber wahr: Schweizer Fussball-Wunder geschehen!“
Aber auch bei den Schweizern in der südbadischen Grenzregion war die Begeisterung groß nach dem K.o-Schlag gegen den Weltmeister.
„Sensationell, wie die Schweizer Mannschaft nach dem 1:3 zurückgekommen ist. Das Spiel hat gezeigt, dass wir hervorragende Fußballer haben“, meinte der Schweizer Danijel Kovacevic, Trainer des Fußball-Bezirksligisten VfB Waldshut, drückte aber sogleich auf die Euphoriebremse angesichts des nächsten Gegners: „Spanien spielt einen ganz anderen Fußball, der auf Ballbesitz ausgerichtet ist.“
Thomas Niederberger, Stadtammann von Kreuzlingen, genoss dagegen ohne Blick nach vorne den Augenblick: „Die Schweizer Nati hat uns mit einem fantastischen Spiel eine riesige Freude bereitet. Endlich konnte die Hürde Achtelfinal genommen und ein Penaltyschießen gewonnen werden – und das gegen den aktuellen Weltmeister Frankreich. Als eingefleischter Fußballfan war das für mich ein großer Moment.“
Ein Pessimist, was die „Nati“ angeht, ist Bruno Blum, Ex-Trainer am Hochrhein, der in Koblenz lebt: „Ich hätte nie gedacht, dass sie das so hinkriegen. Jetzt bin ich fast euphorisch, es ist alles möglich bei dieser EM. Die anderen Mannschaften schwächeln auch mal“.
Mit einem lachenden und einem weinenden Auge verfolgte David Fall die spannende Partie. Der gebürtige Pariser, der in Konstanz aufgewachsen ist und 119 Spiele in der 2. Fußball-Bundesliga absolviert hat, fand es zwar einerseits „schade, dass die Franzosen raus sind, kann aber gut damit leben“. Da der 43-Jährige als Trainer beim AS Calcio Kreuzlingen arbeitet, kann er sich auch über den Schweizer Erfolg freuen. „Außerdem war das – ganz neutral gesehen – Werbung für den Fußball“, so das Fazit von David Fall.