600 Jahre ist es her, da kamen mächtige Menschen in Konstanz zusammen, weil sie wussten: In einer Krise ist es besser, miteinander zu reden. Beim Konzil von 1414 bis 1418 überwanden sie die Kirchenspaltung. 2018 ist die Situation anders, aber eine Krise gibt es ebenfalls. Europa wankt, mit den USA läuft es nicht gut, Russland rüstet zur Großmacht auf.
Der Chefredakteur des SÜDKURIER Stefan Lutz über seine Überraschung des Tages und die Arbeit als Moderator des Wirtschaftskonzils:
All das ist der Hintergrund, vor dem diese Neuinterpretation des Konstanzer Konzils läuft. Im Bodenseeforum, dem Tagungshaus der Stadt, haben sich mehrere hundert Gäste versammelt. Um Lösungen für die Zukunft zu suchen, um den Wirtschaftsraum rund um den Bodensee gemeinsam voranzubringen. Weil auch sie wissen: Es ist besser, miteinander zu reden.
Eine Zwischenbilanz zog vor unserer Kamera auch Uli Burchardt, der Konstanzer OB:
An Themen, über die man streiten könnte im Grenzland, fehlt es nicht. Aber sie stehen nicht im Vordergrund bei dieser Tagung der Internationalen Bodenseekonferenz (IBK) – der Organisation der Bundesländer und Kantone zwischen Hochrhein und Vorarlberg. Stattdessen ist der Grundton, dass das Glas hier mindestens zu drei Vierteln voll ist.

Frieden und Sicherheit, Vollbeschäftigung und Demokratie, Dialog auch über Grenzen. In der Diskussion darüber, wie sich diese Region in Zeiten der Digitalisierung gemeinsam aufstellt, heißt es immer wieder: Eine Art Labor für Europa könne sie sein.
Hat der Bodensee mehr Trennendes oder mehr Verbindendes? Fotograf Achim Mende spricht in unserem Video zudem auch über die Chancen der Digitalisierung für unsere Region:
Was das konkret heißt, zeigt das Ergebnis der Strategiesitzung, die die Regierungschefs der Bodensee-Anrainerländer parallel abhalten. Ministerpräsident Winfried Kretschmann und der Regierungschef des Kantons Schaffhausen, Christian Amsler, erklären, was sie unter einer Modellregion für zukunftsfähiges Wirtschaften verstehen.

Sie wollen sie zum Muster dafür machen, wie auch mittelständische Unternehmen die vernetzte Industrie 4.0 für sich nutzen – und sie streben eine Vorreiterrolle bei der Elektromobilität an.
Der Leiter der Wirtschaftsförderung der Stadt Konstanz, Friedhelm Schaal, über die Signale, die vom Wirtschaftskonzil ausgehen und das Verhältnis der Wirtschaftsregion zur Schweiz:
Es ist an Nicole Hoffmeister-Kraut, der Stuttgarter Wirtschaftsministerin, auch einen Schmerzpunkt ansprechen: Die von Handwerkern als schikanös empfundenen Regeln bei der Abwicklung von Aufträgen in der Schweiz würde sie gerne abgeschafft sehen, "vielleicht bis auf einige Risikobranchen".
Die Chefin der Konzilstadt Konstanz, Ruth Bader, zieht Bilanz und spricht über die Tagungstradition in Konstanz:
Für ein Miteinander und gegen nationale Alleingänge: Das ist auch das große Thema des wohl meistbeachteten Redners eines langen Tages mit vielen prominenten und kundigen Gästen aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Gesellschaft.
Unternehmer Philipp Monnier im Interview:
Günther Oettinger, EU-Kommissar für Finanzen, wirbt mit flammenden Worten für Europa und erhält immer wieder Szenenapplaus für Sätze wie: „Wenn uns dieses liberale Menschenbild wichtig ist, müssen wir dafür kämpfen“, „Wer den Populisten und Nationalisten nachläuft, hat nicht aus der Geschichte gelernt und macht für die Zukunft einen schweren Fehler“ oder: „So schön der Export von S-Klasse-Autos auch sein mag: Der Friedens- und Werteexport ist um ein Vielfaches wichtiger.“

Der Bodenseeraum sei zugleich Beispiel und Experimentierfeld für eine solche Zukunft: "Die Idee von Präsident Macron einer Europäischen Hochschule könnte auch hier in der Bodenseeregion ein Modell sein" – und er hoffe, dass die bilateralen Verhandlungen zwischen Schweiz und EU noch 2018 wieder aufgenommen werden.
Michael Reichle, der Chef der Logistik-Sparte von Siemens SPPAL mit Hauptsitz in Konstanz, über die Chancen der Digitalisierung für unsere Region:
Christian Amsler, dessen Kanton Schaffhausen in diesem Jahr den IBK-Vorsitz innehat, gibt ebenfalls ein Plädoyer für einen EU-Beitritt seines Landes ab – und geht damit auf vorsichtige Distanz zum Schweizer Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann.

Der bezeichnete sich als glühenden Europäer, aber nicht unbedingt als EU-Fan und grenzt sich damit auch von seinem Talk-Partner Winfried Kretschmann ab. Miteinander ins Gespräch gebracht hatte sie Stefan Lutz, der Chefredakteur des SÜDKURIER, der den gesamten Konzilstag moderierte.
Einig sind sich die beiden dagegen in einem anderen Punkt, der das Leitmotiv des Tages berührt: "Ob die Digitalisierung den Menschen nutzt oder schadet, hängt von uns Menschen ab" – so fasst es der Ministerpräsident zusammen, um kurz später noch etwas zu sagen, mit dem er seinen Vor-Vorgänger und Vorredner Günther Oettinger fast wörtlich wiederholt: "Ich hätte nicht gedacht, dass ich noch einmal für den liberalen Verfassungsstaat kämpfen muss."
Carsten Manz, Präsident der HTWG Konstanz, spricht vor unserer Kamera über eine grenzenlose Digitalisierung: