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Herr Schneider-Ammann, jüngst haben Sie gesagt, im Grenzhandel zwischen der Schweiz und Deutschland gebe es keinerlei Wettbewerbsbeschränkungen. Das kann doch nicht ihr ernst sein?

Das kommt darauf an, wie man Wettbewerbsbeschränkungen versteht. Ich habe mich auf den Zollsteit zwischen der EU und den USA bezogen. Das gibt es hier bei uns zum Glück nicht.

Nein, aber deutsche Handwerker und Dienstleistungsfirmen beklagen sich über zunehmende Probleme bei der Abwicklung von Geschäften in der Schweiz. Teils beklagen Firmen Auftragsrückgänge um bis zu 80 Prozent.

Sie spielen auf sogenannte flankierende Maßnahmen an. Diese sind lohnschützende Maßnahmen, die in einem gewissen Sinne den Firmen den Marktzugang schon erschweren. Aber ich lege Wert auf die Feststellung, dass andere wiederum erheblich vom Schweizer Wirtschaftsraum profitieren.

Wer denn?

Die deutschen Handwerker und Dienstleister, die alle Bedingungen erfüllen, bei uns anbieten zu können, fahren durch Aufträge in der Schweiz erheblich höhere Gewinne ein, als in Deutschland. Für diese Firmen ist es höchst lukrativ bei uns zu arbeiten. Das muss in der Diskussion auch einmal gesagt werden. Man redet in Deutschland nicht so gerne darüber, dass man mit der Schweiz auch sehr gut im Geschäft ist. Nehmen Sie nur die Tausenden deutschen Grenzgänger, die von den hohen Löhnen in der Schweiz profitieren. Man muss die Dinge also immer ganzheitlich sehen. In Summe gestaltet sich das wirtschaftliche Zusammenleben zwischen Deutschen und Schweizern für beide Seiten gewinnbringend.

Die baden-württembergische Wirtschaftsministerin Hoffmeister-Kraut hat die flankierenden Maßnahmen einmal ein „Killer-Kriterium“ für den Grenzhandel genannt. Liegt sie da also falsch?

Ich hatte gerade ein sehr erbauendes Gespräch mit der Ministerin geführt. Wir haben erörtert, was wir bei dem Thema verbessern können, und ich verwehre mich keiner Diskussion. Uns beiden ist wichtig, dass die Schweiz in wirtschaftlichen Belangen mit einem EU-Land gleichgestellt wird. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass der Marktzugang für deutsche Firmen auch gegeben sein muss.

Deutsche Bauern beklagen, dass Schweizer Kollegen im Grenzgebiet auf deutscher Seite Ackerflächen kaufen und die Produkte dann zollfrei in die Schweiz einführen und dort verkaufen können. Letzteres Privileg haben die Deutschen nicht. Ist das korrekt?

Meine Ambition ist es der Schweizer Landwirtschaft in die Zukunft zu helfen und die Bedingungen zu verbessern, unter denen sie auf den Märkten bestehen kann. Und Land kaufen dürfen die Deutschen in der Schweiz auch. Es ist aber tatsächlich unschön, wenn deutsche Bauern gegenüber ihren direkten Nachbarn aufgrund einiger Regelungen an Wettbewerbsfähigkeit verlieren. Das sollte man dann begradigen, so dass beide Seiten mit dem Resultat leben können.

Viele Deutsche machen sich sorgen, dass das Kernkraftwerk Beznau 1 nach drei Jahren Stillstand wieder am Netz ist. Können sie die entkräften?

Irgendwelche Garantien abgeben kann niemand. Aber Beznau wurde nicht hochgefahren, ohne dass dutzende höchst umfängliche Sicherheitsprüfungen stattgefunden haben. Hätte nur die kleinste Unsicherheit bestanden, wäre das Kraftwerk nicht am Netz. Wir Schweizer wohnen ja genauso im Umkreis von Beznau wie die Deutschen. Und auch wir wollen Sicherheit.

Viele Schweizer kaufen in Deutschland ein. Das kann ihnen doch nicht gefallen, oder?

Ich bin grundsätzlich daran interessiert, dass die Wertschöpfung von Schweizern auf der Schweizer Seite stattfindet. So gesehen ist der Einkaufstourismus problematisch. Aber gerade bewegt sich die Sache wieder zur Normalität zurück. Wir sehen da also keinen Handlungsbedarf.

EU-Kommissar Oettinger peilt für dieses Jahr das Zustandekommen eines bilateralen Abkommens zwischen der EU und der Schweiz an. Klappt das aus Ihrer Sicht?

Das Vorhaben ist so komplex und heikel, dass hier Genauigkeit vor Geschwindigkeit geht. Wir Schweizer haben ja immer noch das Thema, dass die möglichen Verhandlungsergebnisse vom Volk per Referendum gebilligt werden müssen. Aus meiner Sicht ist das Thema daher nur schwer beschleunigungsfähig.

Wie schätzen Sie das deutsch-schweizer Verhältnis generell ein?

Die Bodenseeregion ist seit Jahren und Jahrzehnten ein gutes Beispiel für geschicktes Zusammenarbeiten und auch Zusammenleben. Probleme werden hier in Freundschaft und partnerschaftlich gelöst. Die Region lebt und gedeiht, und sie weiß, dass sie umso besser lebt, je mehr sie sich aufeinander zubewegt. Das passiert auch. Und das sichert unseren Erfolg in der Zukunft.

Fragen: Walther Rosenberger

 

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