Die Paketbranche bekommt den Druck des Wachstums zu spüren. Angesichts der rapide steigenden Nachfrage fehlt es an Fahrern und die Arbeitsbelastung scheint so hoch wie der Beschwerdepegel. Immer wieder regen sich Kunden über Mängel auf. Auf dem Kurznachrichtendienst Twitter haben sie Fotos gepostet von absurden Benachrichtigungskarten an Empfänger, die beim Zustellversuch nicht zu Hause waren. Eine zum Beispiel ist irrtümlich gerichtet an einen „Herrn Amazon“. Ein anderes Bild zeigt den Hinweis, das Paket liege beim Nachbarn mit dem Namen „Keine Werbung“.

Solche Fehler von Zustellern mögen Einzelbeispiele sein. Und doch sind sie Hinweis auf ein generelles Problem. Diesen Schluss legen auch die steigenden Paket-Beschwerdezahlen bei der Bundesnetzagentur nahe: 2017 waren es 2000 kritische Wortmeldungen, 2018 schon 4300. Pakete waren verspätet oder sie landeten woanders als geplant.

Zwar scheinen die Beschwerdezahlen gering angesichts immenser Paket-Gesamtmengen. Zudem ist ein Grund für die steigenden Zahlen, dass die Möglichkeit zur Beschwerde bekannter wird. Dennoch: Immer mehr Kunden machen ihrem Frust Luft.

Paketmenge steigt immer weiter

Woran liegt das? Für eine Antwort lohnt ein Blick auf die „letzte Meile“, also den letzten Zustellschritt bis zur Paketübergabe. Das ist der entscheidende Punkt der Branche. „Auf der letzten Meile entstehen 50 Prozent der Kosten bei der Paketlieferung“, sagt Logistik-Experter Kai-Oliver Schocke von der Frankfurt University of Applied Sciences. „Da kann ein Paketdienstleister viel falsch machen – hier entscheidet sich, ob er Erfolg hat oder nicht.“

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Alle Paketdienstleister wollen ihre letzte Meile verbessern – ob Marktführer Deutsche Post DHL, ob Hermes, DPD oder GLS. Ihre Probleme sind ähnlich: Sie suchen händeringend Fahrer, um die steigende Nachfrage decken zu können. Zudem ärgern sich alle Unternehmen über Staus und Parkplatzmangel – entweder ihre Transporter müssen in der zweiten Reihe parken oder ihre Fahrer müssen weit laufen mit den Kartons im Gepäck. Dann öffnet häufig niemand die Tür. Also müssen sie beim Nachbarn ihr Glück versuchen. Das kostet Zeit und Geld. Und seit Jahren nimmt die Sendungsmenge zu. Waren es 2009 laut Branchenverband BIEK noch 1755 Millionen Pakete, so waren es 2017 bereits 2804 Millionen – ein Plus von rund 60 Prozent.

Bei der letzten Meile stehe man vor massiven Herausforderungen, sagt Hermes-Sprecherin Marei Martens. Die letzte Meile sei „der mit Abstand aufwendigste Schritt im gesamten Transportprozess“, heißt es auch bei DPD. Auf der Strecke stiegen die Kosten für Paketdienste massiv, die Zustellung an private Empfänger sei enorm aufwendig.

Die Branche arbeitet mit Hochdruck an Innovationen, um die Situation zu verbessern. So setzen die Firmen auf Paketkästen, wo Kunden auch außerhalb der Öffnungszeiten von Paketshops fündig werden – ob die DHL Packstation oder ParcelLock von DPD und Hermes. Im Trend sind zudem Mikro-Depots, kleine Sammelstellen in der Stadt, von wo aus Elektro-Lastenräder die Pakete weitertransportieren.

Für Entlastung auf der letzten Meile soll die Digitalisierung sorgen. Hier geht es um Echtzeit-Navis für optimierte Routen und die Möglichkeit für Empfänger, bessere Lieferzeitfenster und konkrete Zustelltage zu wählen – dann stünde der Paketbote seltener vor verschlossener Tür. Auch Projekte mit Lieferdrohnen gibt es schon.

Noch ist der Preis gleich hoch

Angesichts der hohen Kosten der letzten Meile ist es erstaunlich, dass eine Paketbestellung zumeist gleich teuer ist, egal ob man sie nach Hause geliefert bekommt oder in den Paketshop. Das aber könnte sich ändern. So rechnen DPD und Hermes damit, dass Haustür-Bestellungen künftig teurer werden als Lieferungen an Paketshops oder Paketstationen. „Wir erwarten, dass sich die Haustürzustellung branchenweit zu einem höherpreisigen Premiumservice entwickelt“, sagte ein DPD-Sprecher. GLS vertritt einen ähnlichen Standpunkt. Die Deutsche Post bekräftigte dagegen, dass sie Pakete auch künftig ohne Mehrkosten direkt bis an die Haustür bringen will. „Wir glauben nicht, dass wir eine Extragebühr für die letzte Meile von unseren Kunden erheben müssen“, sagte Post-Chef Frank Appel. Die Haustürzustellung sei „Teil unseres Leistungsversprechens“. (dpa)